Page 12 - Galerie KW 10 – Die Tropfen der Welle, 5 Jahre "Wir schaffen das!"
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na dann... 10/2021
 MOHAMAD
mit Beinamen Mohamad Altenberge, der seinen Namenszusatz aus o.g. Gründen erhielt, hielt sich fast ein Jahr zurückgezogen und deprimiert in seinem Zimmer in Altenberge auf. In dieser Anfangszeit fand er weder Zu- gang zu Deutschen noch Kontakt zu den Landsleuten und Leidensgenoss:innen in seinem Dorf. Er verließ das Haus nicht und übergab sich seinen Erinne- rungen, seiner Einsamkeit und Depres- sionen. Innerhalb einiger Monate war dieser sportliche und kräftige Mann von 25 Jahren lebensgefährlich abge- magert. Er hatte den Krieg überstan- den, war 19-Jährig auf der Flucht vor dem Kriegsdienst in Nachbarländer Syriens gekommen, hatte dort mehr schlecht als recht überlebt und drohte hier nun aufzugeben und völlig zu ent-
kräften.
„Ich kenne kaum jemanden, der nicht krank geworden wäre.“
Nach acht Jahren konnte er 2019 seine Geschwister und Eltern in Saudi-Ara- bien für zwei Wochen wiedersehen. Nach Syrien zu reisen, wäre zu gefähr- lich gewesen. Für ihn war die vorü- bergehende Antriebslosigkeit wie er sagte mit der `Vaterlosigkeit` in all den Jahren verbunden gewesen. Ein gro- ßes emotionales Problem, das vielen jungen, allein reisenden Männern aus Ländern, in denen starke familiäre Ban- de bestehen, täglich zu schaffen macht.
Der Psychoanalytiker Alexander Mit- scherlich, der schon vor Jahrzehnten auf eine vaterlose Gesellschaft in der westlichen Welt aufmerksam machte, lässt grüßen. Mohamad, der weder dieses Buch noch eine solche Gesell- schaft kennengelernt hatte, drohte an diesem Problem zu verzweifeln.
     ... wieder im Gleichgewicht
Inzwischen hat er Münster verlassen und wird von seinen hiesigen Freun- den nun Mohamed Bitburg genannt, weil er nämlich dort vor zwei Jahren eine Ausbildung als Fitnesskaufmann begonnen hat.
 ABDULLAH
Da ist Abdullah, der im letzten Jahr un- ter Corona-Bedingungen seine Ausbil- dung zum Pharmazeutisch-technischen Assistenten begann, um dann später wahrscheinlich noch Pharmazie zu stu- dieren. Nach dem erfolgreichen Kampf mit der deutschen Sprache nimmt er























































































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