Page 2 - Galerie KW 10 – Die Tropfen der Welle, 5 Jahre "Wir schaffen das!"
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na dann... 10/2021
      pekt, mit Furcht oder Nervosität. Nein, es war eher eine aufgeregte Ruhe, eine eigenartige Freude und mutige Neu- gierde.
Aber was suchten sie dort? Was war geschehen, dass so viele Menschen die Hilfe der Polizeibehörde zu brauchen schienen?
Kurze Zeit darauf: Eine ähnliche An- sammlung im großen Raum der Kir- chengemeinde. Und nicht nur da, son- dern auch in vielen anderen Räumen der Stadt. Auch hier war die Menge erwartungsvoll von einer leisen Aufre- gung erfüllt, die den Raum energetisch nahezu zum Platzen brachte. Wir waren aufmerksam ungeduldig. Wir waren Nachbar:innen, wir waren Studierende und Lehrende, waren Hausfrauen und -männer, wir waren Großmütter und -väter, und vieles mehr. Wir waren uns fremd und zusammen bereit ...
Nun, was war geschehen bei uns vor der Tür?
Der Krieg, den wir schon seit etwa vier Jahren kannten - medial, durch Bilder und vom Hören-Sagen - war plötzlich greifbar und spürbarer geworden. Den Fernseher und damit das mulmige Ge- fühl beim Verfolgen der Kriegsnach- richten hatten wir bis dahin immer leicht ausschalten können. Doch nun klopfte etwas direkt an unsere Tür und weckte uns auf.
Die Polizeiwache hatte schon seit ei- niger Zeit ihre Pforten geschlossen und das Gebäude würde nun für über
hundert Menschen ein neues Zuhau- se werden. Für Männer, die allein ge- kommen waren. Die dem Militärdienst oder dem Gefängnis entkommen sind. Die ihren Frauen und Kindern die Stra- pazen und Gefahren der Flucht durch die Türkei, über das Meer und entlang der Balkan-Route nicht zumuten konn- ten. Aber auch für etliche Familien, die die Flucht aus ihrer Heimat gewagt hat- ten. Meist aus dem zerstörten Syrien, in dem Krieg, Folter und Elend Hand in Hand mit dem Machtapparat des Dik- tators Assad regierten.
 ehemalige Polizeiwache Gutenbergstraße
Die Bewohner:innen des Mauritzvier- tels waren eingeladen, sich die Räum- lichkeiten anzuschauen, in denen bald ihre neuen Nachbar:innen wohnen würden und die aus Ländern kamen, unter denen sich die meisten von uns nur wenig vorstellen konnten. Dieser Ort, der im Laufe seiner etwa 100-jäh- rigen Geschichte Verzweiflung, Ent- würdigung, Schmerz, Resignation und
























































































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