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 na dann... 18/2021
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ten sich entzogen. Die Eltern verstreuten sich, die Fahne wehte leise im Sommerwind, wir wurden ermahnt, uns als deutsche Jungen auch in den Ferien unserer Verpflichtung für Volk, Reich und Führer bewusst zu sein, uns auf das Lernen nach den Ferien vorzubereiten, und so weiter und so weiter, bis das erlösende schneidige Kommando ertönte „Hol nieder Flagge“, das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied angestimmt wurden.
Dr. Doberanz, hier nun wieder auf sicherem Terrain, befahl „in die Ferien wechjetreten“, wir verließen den sandigen Schulhof fröhlich. Ganz unfeierlich warf er sich das rote Fahnentuch über den Arm und entfernte sich mit dem Direx in sel- tener Einigkeit. So kam es, dass mangels eines verbindlichen Befehls alles so blieb. Im stillen Di- rektorzimmer fand nun auch der „Scheich“ seine Kompromisslösung: Der alte Hindenburg erhielt seinen Platz an der Wand hinter dem Schreibtisch zurück. Gegenüber neben der Tür, beim Eintreten nicht zu sehen, aber stets im Blick des Direktors, fand der bunte Hitler seinen Ort. Erst, wenn man den Raum verließ, erblickte man Prof. Schleusings Werk und mancher fremde Besucher wird erstaunt gewesen sein über das zweite Porträt.
Bis heute weiß ich nicht, war das ein gut ge- tarnter antifaschistischer Affront, bei dem sich Künstler und Direx einig waren? Höheren Orts schien man für die Ereignisse an der Grenze zwi- schen der Hauptstadt und der Mark kein Interes- se aufzuwenden und so werden es die ersten Rotarmisten vorgefunden haben, als sie 1945 das halb zerstörte, dennoch überlebende, Schulge- bäude betraten.
Volker Hentig
ist 91 Jahre alt und
wohnt mit seiner Frau in Bielefeld. Beruflich war er Unternehmer.
 Reichspräsident Paul von Hindenburg
te sich auf Frau Krause, mitverantwortlich für die Wahl des Künstlers. Verblüfftt, ratlos, begann sie zu berichten, dass der Professor Amerikaner sei, seit vielen Jahren in Deutschland Hochschulleh- rer, also müsse es „Kunst“ sein und daher der Re- alschule würdig. Der tragbare Kompromiss war gefunden, Erlösung, die mutige Frau wurde be- klatscht. Jetzt aber erhob sich die Frage, ob trotz- dem und vorbeugend vor möglicher späterer par- teiamtlicher Rüge, das denn doch ungewöhnliche „Führerbild“ wieder zu entfernen sei, aber dann hätte ja der alte Hindenburg wieder aufgehängt werden müssen. Abstimmungen im „Dritten Reich?“ unmöglich. Eine Order war erforderlich.
Draußen hatten wir Schüler inzwischen Auf- stellung im Karree um den Fahnenmast genom- men, Zeremonie zum Ferienbeginn. Dr. Doberanz enteilte der Versammlung, Studiendirektor Haa- ke würde gleich wie wir seinen markigen Worten lauschen. Die hierarchisch Verantwortlichen hat-
   























































































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