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na dann... 20/2022   zeitzeichen 31
   In dieser Woche vor 102 Jahren... ...brannte das Lager ab.
Im Kriegsgefangenenlager II auf der Reitbahn an der Hammer Straße lebten während des Ersten Weltkriegs genauso viele alliierte Sol- daten wie Münsteraner, etwa 90.000. Da das Völkerrecht vorschrieb, dass Kriegsgefangene genauso zu verpflegen seien, wie aktive Solda- ten, hatten die Gefangenen zeitweise mehr zu essen, als Münsters Bevölkerung.
Es gab auch ein Lager-Theater mit Kulissen und Kostümen. Die Frauenrollen wurden von femininen Franzosen übernommen. Nach dem WaffenstillstandmitRussland1917durftensich die russischen Gefangenen mit speziellen Aus- weisen frei in der Stadt bewegen.
Nach Kriegsende wollten Briten und Fran- zosen schnell nach Hause – aber deren Regie- rungen wollten keine ungeordnete Rückkehr und forderten eine weitere Inhaftierung ihrer Soldaten bis zur Regelung aller Formalitäten.
Viele Russen dagegen wollten angesichts des kommunistischen Chaos in ihrer Heimat gar nicht erst zurück. Nachdem die Sowjetregie- rung auch kein Interesse an einer Rückholung zeigte, schickte man sie gegen ihren Willen in die Heimat. Dafür kamen nun neue Gäste, näm- lich deutsche Soldaten des zurückflutenden Westheeres, die wegen starken Läusebefalls zunächst in Quarantäne mussten, bevor sie in ihre Wohnungen durften.
Ein Brand, noch ein weiterer Brand und ein Orkan machten das Lager zwei Jahre nach dem Krieg dem Erdboden gleich.
IM BUCHHANDEL
Carsten Krystofiak: Mord im Münsterland – 20 True-Crime-Stories
(münstermitte Medienverlag)
   Vom Lager blieb nur der Straßenname „Alte Reitbahn“.
























































































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