Page 12 - pixelbook KW 25 / 2022
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Musikalisch war es für mich interessant, denn es lief ein Kampf zwischen Rhythmus und Bass ab: Weiße neigen dazu, mehr zu den Rhythmen zu tanzen, während Schwarze mehr am Bass orien- tiert sind. Jedenfalls beobachtete ich damals die- sen Unterschied. Wenn ich Michael an den Plat- tenspielern ablöste, hatte er den „Pitch-Control- Pegel“ immer auf 7 oder 8 gestellt. Ich stellte ihn sofort auf Null zurück, bevor ich meine Tracks spielte, was dem Tanz wegen der veränderten Ge- schwindigkeit sofort eine andere Stimmung und Bewegung gab. Chart-Musik war nicht erlaubt und auch nicht nötig, denn die Leute, die zum Tanzen kamen, wollten nicht an die Pop-Charts erinnert werden, sie wollten an etwas
Revolutionärem und völlig Neuem teilhaben und Obina- Shock war dafür genau das Richtige.
Wer gewann den Wett-
kampf am DJ-Pult? Diese Frage
drängt sich auf. Ehrlich gesagt:
Ich weiß es bis heute nicht. Der
Club war ohnehin immer sehr
gut besucht, sodass es unmög-
lich gewesen wäre, alle Gäste gleichzeitig auf die Tanzfläche zu bekommen. Wer zu Michaels Musik tanzte, ging nicht unbedingt zu meiner Musik auf die Tanzfläche und umgekehrt. Sobald ich anfing zu spielen, gab es eine visuelle Veränderung, die urplötzlich geschah. Diese Abende gehören zu den denkwürdigsten, die ich je erlebt habe und es war jedes Mal anders. Übrigens kann ich mich nicht erinnern, dass die Polizei in all der Zeit, in der ich dort war, wegen Streitigkeiten zwischen Gästen gerufen werden musste. Was nur zeigt, dass der Fokus auf das Tanzen gerichtet war und darauf, eine entspannte Zeit miteinander zu verbringen.
Wie wir alle wissen, geht mit dem Erfolg auch immer finanzielles Risiko einher und dies sollte der Beginn vieler Probleme sein, die schließlich zum Untergang des Obina-Schocks führen sollten.
Ich kann nur berichten, was ich persönlich ge- sehen und gehört habe und nicht, was jemand zu einer bestimmten Situation gesagt haben könnte. Für mich begannen die Probleme von Michael und
na dann... 25/2022
des Obinas in einem Sommer, als er das Schwimm- bad in Hiltrup buchte, um ein dreitägiges Musik- festival zu veranstalten. An dem ausgewählten Wochenende regnete es an allen drei Tagen, sodass es abgesagt werden musste. Die Veranstaltung wurde neu geplant und sollte genau zwei Wochen später stattfinden. Das Gleiche passierte unglück- licherweise noch einmal: Es regnete das ganze Wochenende durch, deshalb wurde die Veranstal- tung ein zweites und damit ein letztes Mal abge- sagt. Ich kann mir vorstellen, dass Michael dadurch astronomisch hohe finanzielle Verluste erlitt. Denn viele der Musiker mussten trotz der erneuten Ab- sage ihre Gage bekommen. Einige Monate später
lud er mich eines Dienstagmor- gens zu einer Tankstelle in der Nähe seines Wohnorts in Roxel ein und forderte mich auf, sie- ben von insgesamt 14 Briefen auszuwählen, die er verdeckt auf einen Tisch gelegt hatte. Ich wählte sieben aus und er hob die anderen Briefe auf, zer- riss sie und warf sie in den Müll- eimer. Damals ahnte ich nicht, unbezahlte Rechnungen und
 dass diese Briefe
Mahnungen waren. Dies war seine Art, das Pro- blem so schnell wie möglich zu lösen. Am Samstag derselben Woche ging ich wie immer nachmittags ins Obina und wir hatten ein Problem: Es gab kei- nen Strom! Und warum? Ein Brief, den er damals in den Mülleimer warf, war von den Stadtwerken Münster gewesen.
An einem Freitagabend arbeitete ich mit Mi- chaels Frau Lioba am Einlass des Obinas und der Club war mit mehr als 300 Gästen so gut besucht, dass ich mir sogar einen Toilettengang zeitlich ein- planen musste, weil der Weg wegen der vielen Menschen sehr lange dauern würde. So entschied ich mich erstmals und kurzentschlossen, als Alter- native den Gang zum Parkplatz anzutreten, der nur 20 Meter entfernt war.
Es stellte sich als eine sehr gute Entscheidung heraus, weil ich zufällig Informationen über die wahre Popularität des Obinas bekam: Mir fielen zahlreiche Autos aus Dortmund und Hamm auf.
















































































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