Page 5 - pixelbook KW 40/2022
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na dann... 40/2022
Kinokritiken 5
Da kommt noch was
(sirk) Die häufigsten Un- fälle passieren ... ? Genau, im eigenen Haushalt. Und hier bereits im Vorspann. Beim erfolglosen Versuch, eine Spinne lebend von der Decke zu entfernen, plumpst die 62-jährige Helga (Ulrike Willenbacher) bis zu den Schultern in den Schacht ihrer Fußbodenheizung. Mit eingeklemmtem Fuß kann sie erst viel später den Rettungsdienst anrufen und versichert dann auch ihrer Freundin: "Ja, alles gut so- weit!". Denkste. Denn was sie nicht ahnt: dieser Sturz wird die bourgeoise Lange- weile, in der sich Helga (mit untreuem Ex-Mann und ge- stresster Tochter) befindet, noch gehörig auf den Kopf stellen ... Unter anderen ver- liebt Helga sich ausgerech- net in ihre neue Putzkraft, den Polen Ryszard (brillant wortkarg: der polnische Star- schauspieler Zbigniew Za- machowski). Mit dem Blick für feine Details und dem Händchen füŕs passende Timing entlarvt Regisseurin Mareille Klein mit ihrer ers- ten Culture-Clash-Romanze die Probleme der gut situ- ierten Gesellschaft. Herrlich.
99´ Cineplex
Liebe, D-Mark und
Tod
(mex) Türkische Musik in Deutschland. Für alle, die sich damit nicht ausken- nen, liefert Filmemacher Cem Kaya hier eine fantas- tische, absolut liebenswer- te Nachhilfestunde. Von der Musik der frühen so- genannten „Gastarbeiter“, den ersten Protestliedern, dem Hiphop der Nach- wendezeit bis zu aktuellen Strömungen der selbstbe- wusst gewordenen Künst- ler der Gegenwart. Dazu gelingt es Kaya in dieser aufwendig recherchierten Dokumentation immer, den Bogen von der Musik zum Leben der Community durch das extrem zwie- spältige, gerade vergange- ne halbe Jahrhundert zu spannen. Gewinner des Panorama-Publikumspreis der letzten Berlinale und schlicht und ergreifend hervorragend.
96´ Cineplex
Wir könnten genau-
so gut tot sein
(mex) St. Phöbus heißt das gewaltige Hochhaus. Es steht mitten im Wald und gilt seinen Bewohner*innen als letzte Bastion gegen die Gefahren einer bedroh- lich gewordenen Welt. Wie genau diese hinter dem Sicherheitszaun aussehen mag, bleibt das Geheimnis des Films. Wohl lässt er aber durchblicken, dass das Mitführen eines Beiles bei ihrem Betreten durchaus anzuraten wäre. Im Haus selbst ist soweit jedoch alles unter Kontrolle, nicht zuletzt durch eine extrem strenge Aufnahmeprozedur sowie die verantwortungsvolle Arbeit der Sicherheitschefin Anna (Iona Iacob). Doch ge- rade die gerät nach einigen eher harmlosen Zwischen- fällen unter Beobachtung und Rechtfertigungsdruck. Das Haus macht seinem Namen alle Ehre und Natalia Sinelnikovas außergewöhn- liches Spielfilmdebüt zeigt, wie dünn das Eis sein kann, auf der sich die Sicherheit bewegt..., wenn erst einmal die heilige Angst umgeht. Ein stiller Horror.
93´ Cineplex
Chase
( jonny) Bei einem Tank- stellenstop versucht Will noch ein letztes Mal seine Frau Lisa davon zu über- zeugen, gemeinsam in den Urlaub zu fahren, anstatt sich bei ihren Eltern eine Beziehungsauszeit zu nehmen. Doch bei diesem Zwischenstop verschwin- det Lisa urplötzlich von dem Erdboden und für Will beginnt die nervenaufrei- bende Suche nach seiner geliebten Ehefrau. Auf die Polizei kann sich Will bei der Sache nicht verlassen, im Gegenteil, dort gilt er wegen der ernsthaften Beziehungsprobleme als Hauptverdächtiger. Ver- zweifelt macht sich Will auf die Jagd nach den Entführen seiner Frau und ist dabei entschlossen bis an die Grenze zu gehen... "Chase" ist ein vorherseh- barer und einfallsloser Action-Streifen. Da hilft auch der Umstand nicht, dass die meisten Dialoge mit Gerald Butler improvi- siert wurden. Angelehnt ist der Film übrigens an den um Längen besseren Film "Spurlos verschwunden" aus dem Jahr 1988.
95´ Cineplex