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 na dann... 04/2023
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  Wenn der jährliche Mietspiegel he- rauskommt, dann merkt man: Die Preise in Münster kennen nur einen Trend. Nach oben. Wo ist es laut ak- tuellem Mietspiegel in Münster am teuersten? St. Mauritz? Annette-Al- lee? Innenstadt?
Nein. Am Hansa-Platz. Also gleich am Bahnhof. Dort kostet der Quadrat- meter einer 30-Quadratmeter Woh- nung rund 24 Euro. Danach kommt lange nichts, und dann die direkte In- nenstadt mit rund 18 Euro. Wie kann das sein? (Quelle: wohnungsboerse.net)
Umso erstaunlicher wird die Sache, wenn man den Mietspiegel der Stadt Münster aus dem ver- gangenen Jahr zu Rate zieht. Damals kostete der Quadratmeter dort „ nur“ 12,80 Euro. Erneut: Wie kann das sein, eine Steigerung um 100 Prozent in- nerhalb eines Jahres?
Im Jahr 2022 wurde das Hansator fertig. Jenes Mauer-Gebilde hinter dem Hauptbahnhof. Ein gro- ßer Teil der Fläche wird vom Unternehmen Poha- House bewirtschaftet. Dessen Geschäftszweck: Klei- ne Wohnungen schnell vermieten an zahlungskräf- tige Kunden auf bestimmte Zeit. Und jetzt kommen wir dem Rätsel näher: Ein Blick auf die Angebotssei- te von Poha offenbart Mietpreise in Höhe von rund 47 Euro pro Quadratmeter. Was man dafür kriegt? Ein 21 Quadratmeter stylisches Loft in bunten Far- ben, eine Miniküche, nette Gemeischaftsräume und das gute Gewissen, dass jeder Nachbar min- destens genauso viel zahlt. Man also in bester Gesellschaft ist. Zum Teufel mit den vergammel- ten Studenten oder anderen Normalos in Klein- Muffi und umzu.
Nennen wir es beim Namen: Gentrifizierung. Sie hatte im Hafen angefangen, fiel dort aber nicht so ins Gewicht, weil kaum Wohnfläche ge- schaffen wurde. Doch allein im Hansator gibt es 313 neue „All-inclusive-Studios“. Sollten sich die Experten der Wohnungsbörse nicht grundlegend verrechnet haben, haben die Studios die Durch- schnittsmiete im Viertel binnen eines Jahres ver- doppelt. Dass kann Effekte haben auf die anderen
Wohnungen, denn Mietererhöhungen müssen sich im Rahmen des Mietspie- gels bewegen. Am Hansaplatz sind ge- rade alle Barrieren nach oben gefallen.
Danke, liebe Politik.
Wenn das Hansator an sich wenig- stens optisch eine Bereicherung fürs Viertel wäre. Nähert man sich ihm, fal- len zwei dunkle Röhren auf, die Men- schen einsaugen zwischen dunklen Decken, dunklen Fassaden und dun- klem Boden. Lämpchen schummern in der Decke, ein „Flugdach“ schottet
die Szenerie auch nach oben optisch ab. Das hatte im ersten Entwurf noch anders ausgese- hen. Große Öffnungen sollten Licht ins Dunkle las- sen. In den Himmel erstrecken sich drei Schuhkästen mit lustigen Fenster-Einfassungen, ein bisschen roter Backstein ist eine Reminiszenz ans Westfälische.
Eine optische Verbindung zwischen Innenstadt und Hansaviertel sollte das Hansator werden. Doch geworden ist es eine massive Mauer, die mehr trennt, als das sie verbindet. Großmannssüchtig wurde da etwas hingeklotzt - und man fragt sich: Wo war ei- gentlich der gesunde architektonische Menschen- verstand im städtischen Gestaltungsbeirat? Was hat dieser schwarz-rote Trumm im Hansaviertel zu su- chen? Da sind die weißen Leitstreifen für Sehbehin- derte noch das spannendste gestalterische Element. Bonjour tristesse! - Stefan Bergmann
Presseausweis
   Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu Klein-Muffi zu errichten. Oder doch?





















































































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