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 na dann... 39/2023
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überwiegend weiße Musik sei, die das Jazzfesti- val Münster seit Jahren verbreitet, ist bei weitem nicht der Fall. Wenn jemand wirklich daran inte- ressiert ist, zu zeigen, was gerade in der europä- ischen Jazzszene passiert, dann ruft mich an und vielleicht können wir gemeinsam etwas erarbei- ten, das allgemein authentisch ist.
Darüber hinaus geht es nicht nur um mich und meine Vorstellungen davon, was ein Jazzfestival sein und repräsentieren sollte. Es geht auch um den Respekt und die Anerkennung, die wir den lokalen Musikern entgegenbringen sollten, und davon gibt es einige. Ugonna Okegwo ist ein Deutsch-Nigerianer aus Havixbeck, „Münster“ und eines der größten Talente seiner Generation auf seinem gewählten Instrument, dem Akustik- bass. Er ist nicht nur hier in Europa, sondern auch in die USA ein bekannter Name. Hier ist ein Mu- siker, der Münster verließ und nach Amerika ging und sich einen Namen machte, mit dem man rechnen musste. mitgespielt. Wie kommt es, dass ein Talent wie das von Ugonna beim Münstera- nerFestivalüberhauptnichtvertretenist?Jemand mit seinem Talent sollte zu jedem Festival einge- laden werden und die Möglichkeit bekommen, die Band vorzustellen, mit der er gerade auf Tour ist. Warum wird jemand mit so viel Potenzial von den Veranstaltern des Festivals ignoriert und ver- gessen? Was soll er noch tun?
Es macht mir im Moment keine Freude, über diese Themen zu schreiben. Weil es mich traurig macht und die Realität vor Augen führt, dass sich an der Darstellung der Wahrheit nichts wirklich geändert hat. Aber wenn es die einzige Möglich- keit ist, ein wachsendes Anliegen von mir und anderen hervorzuheben, dann soll es so sein.
Hören Sie auf, die Tatsache zu ignorieren, dass Jazz die klassische Musik Amerikas ist, und geben Sie ihm die Plattform und Behandlung, die er ver- dient, weil er etwas Besseres verdient, das ist al- les, worum ich bitte.
Think about classical music without Bach, Mo- zart, or Beethoven. Think about jazz without Du- ke Ellington, Charlie Parker, or John Coltrane. It‘s impossible to imagine.“ „White Lies Matter, and we should stop pretending that they don‘t!“
(Honest John, September 2023)
Urheber in den letzten sechs Jahren nicht mit einzubeziehen, bedeutet etwas völlig anderes. Es drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass hier einer eindeutigen Bevorzugung einer “non-per- son-of-colour-Jazzwelt“ der musikalische Weg bereitet werden soll, d.h. einer “imago mundi“ jenseits jeder tatsächlichen musikhistorischen Evolution, dem der Wahrheit zugewandten Nar- rativ in Gänze abhold. Rundum handelt es sich hierbei schlichtweg um einen Skandal, der auf keinen Fall toleriert werden sollte. Leider kann es nicht ausbleiben, dies so krass an dieser Stelle zu denotieren.
Entstanden in den geschäftigen Straßen, den rauchigen Honky Tonks und den lebhaften Tanz- lokalen des New Orleans um die Wende des 20. Jahrhunderts, war Jazz die ursprüngliche Musik- form Amerikas. Es ist eine Musik, die sich aus der Polyphonie des Ragtime und der Seelenfülle des Blues entwickelt und das Ergebnis einer Million amerikanischer Verhandlungen ist: zwischen Ha- ben und Nicht-Haben; zwischen dem alten Afrika und dem alten Europa - was nur in einer völlig neuen Welt hätte passieren können. Die Geschich- te des Jazz ist untrennbar mit der Rassengeschich- te in Amerika verbunden. Als neugieriger und ungewöhnlich objektiver Zeuge des 20. Jahrhun- derts erzählt der Jazz die Geschichte von Rasse und Rassenbeziehungen und Vorurteilen, Minne- sängertum und Jim-Crow-Lynchmorden und Bür- gerrechten.
Ob es Ihnen gefällt oder nicht, die Erfinder des Jazz sind schwarz. Sie sind diejenigen, die die Stile entwickelt haben, die alle anderen kopieren oder verbessern wollten. Sei es Louis Armstrong, Duke Ellington, Charlie Parker oder John Coltrane. Sie veränderten nicht nur die Musik harmonisch und rhythmisch, sondern auch die Art und Weise, wie ihre einzelnen Instrumente gespielt wurden.
Ich möchte damit nur sagen, dass bei der Wer- bung für die Münster-Festspiele das Wort „Jazz“ ausderÜberschriftgestrichenwerdensollte.Dass nur weiße Musiker präsentiert werden, ist hoch- gradig skandalös und sollte nicht hingenommen werden. Beispielsweise habe ich meinerseits ge- nügend persönliche Kontakte zur britischen Jazz- szene, um über Alternativen nachzudenken und dies weiterzugeben. Die Illusion, dass Jazz eine























































































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