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kritisiert wird, sehr gut erklären könnte. Struktu- rell könnte das Album kaum einfacher sein.
Trotz dessen, was manche vielleicht glauben, sollte dies keineswegs jemandes Keith Jarrett- Erlebnis sein. Es muss nicht einmal die Einführung sein. So erhaben es auch ist, es ist nur eines von vielen formativen und atemberaubenden Bei- spielen für seine produktive Ausgabe. Dieses Al- bum ist ein Schlaflied für alle, die keinen Schlaf benötigen, und Jarretts herzliche Stimme vermit- telt ausdrücklich die Entrückung des Lebens im Moment.
Ich bin ein begeisterter Keith-Jarrett-Hörer, seit ich 1979 sein Klaviersolo auf Charles Lloyds „Forest Flower“ hörte. Es war einer dieser „Wer zum Teufel ist das?“-Momente. Keith ist bekannt fürseineVielseitigkeitundInnovationskraftüber verschiedene Genres hinweg. Er hat bedeutende Beiträge zum Jazz, zur Klassik und zur improvi- sierten Musik geleistet. Diese Bandbreite seines Spiels hat viele Musiker beeinflusst und die Wahr- nehmung dessen, was am Klavier möglich ist, verändert.
Ich möchte ehrlich sein. Ich bin kein Journalist und es war definitiv nicht einfach für mich, über diese LP zu schreiben. Zunächst einmal weiß ich, wie wichtig es der Plattenfirma war, Keith Jarrett als jemanden darzustellen, was er nicht war. Trotz seiner ungarischer, schottisch-irischer und fran- zösischer Abstammung ließ sein extrem lockiges Haar viele, die ihn spielen sahen, glauben, er sei ein hellhäutiger Schwarzer. Und dasselbe gilt für die Musik auf dieser LP. Das Mysterium um seine ethnische Identität prägte sein Image als einer der größten Jazzstars der 70er Jahre und gab ihm die Freiheit, Musikstile zu erkunden, die historisch mit Afroamerikanern in Verbindung gebracht werden, darunter Gospel, Funk und Jazz. Deshalb finde ich es wirklich ironisch, dass sein meistver- kauftes „Jazzalbum“ nichts mit Blues, Synkopen oder Swing zu tun hat. Es ist kein Jazzalbum, son- dern es wurde als solches verkauft. Warum ei- gentlich? Sagen Sie es mir.
(Honest John, März 2025)
das für Jazzfans und Musiker auf der ganzen Welt zu einem Prüfstein geworden ist. Die Mischung aus Virtuosität, Emotionen und improvisato- rischer Spontanität hat es zu einem zeitlosen Meisterwerk gemacht, das die Zuhörer mehr als vier Jahrzehnte nach seiner Aufnahme fesselt und inspiriert. Egal, ob Sie ein eingefleischter Jazzfan odereinfacheinLiebhabergroßartigerMusiksind. „The Köln Concert“ ist ein Album, das einen Platz in Ihrer Musiksammlung verdient.
Die Eröffnungsakkorde von Part I haben mich auf einen fast jenseitigen Weg gebracht, ähnlich der Wirkung der Gospelmusik aus meiner Kind- heit, die an mein Elternhaus erinnert. Sein Spiel beharrt auf unzähligen internen Dialogen, die alle um Aufmerksamkeit wetteifern. Eine emp- findliche Phrasierung wird plötzlich durch eine rhythmische Betätigung des Sustain-Pedals durchbohrt, bevor sie zu einer offenen Entfaltung höherer Energie aufblüht. Die Musik kaskadiert als Jarretts Stimme ihre hoch aufragenden Kon- turen formt... besser kann ich das Ihnen nicht er- klären, Sie müssten selbst erleben, wohin diese Musik Sie bringt.
Jarrett erhöht das Tempo während des Parts II und bewegt sich vom Elegischen zum Wilden. Alles passt zusammen, ein Patchwork, in dem je- de Naht gleichmäßig genäht wird. Der Fortschritt ist so üppig wie möglich. Es ist so dicht wie ein Wald und genauso auf seine Weise geordnet. Jar- rett bringt uns zu einer Lichtung, nur um uns auf die Stille aufmerksam zu machen, die wir zurück- gelassen haben. Alles ist offen und wir können wieder neu anfangen.
Es mag klischeehaft erscheinen, dies zu schrei- ben, aber manchmal gibt es Momente im musi- kalischen Leben, die einfach magisch sind. Was Jarrett in dieser Liveperformance emotional er- lebt hat, teilte er seinem Publikum mit und wir haben das Glück, das selbst erleben zu können, wenn auch nur mit Hilfe der technologischen Vermittlung. Jarrett scheint das Vokabular des Klaviers sowie seine eigene Rede zu kennen, was die unfreiwilligen Vokalisationen, für die er so oft
























































































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