Von Manni, 05.08.2020

Grüße von der Insel #16

-Jam Session, Second Set-

(mex) Liebe Musikfreundinnen, liebe Musikfreunde, herzlich willkommen zurück hier zum zweiten Set unserer Corona-Jam-Session. Wir freuen uns, dass wir wieder einige illustre Gäste begrüßen können. Deshalb wollen wir auch gar nicht erst lange fackeln. Noch einmal kurz die Fragen in Erinnerung rufen und los geht´s. Und damit direkt auch für einen guten Klang gesorgt ist, beginnt der geschätzte Kollege Peter Gonschorek von der Firma „Kompakt Sound“.


• Bitte eine kurze Bemerkung zur aktuellen Krise, beziehungsweise ein Statement zu Deiner persönlichen Situation.
• Du hast einen Wunsch frei. Lass doch mal hören!
• Wenn Du willst, hättest Du bitte ein paar Hörtipps für uns?

Peter Gonschorek

Peter Gonschorek

1. Nun gut, seit dem 15.3.2020 fahren wir hier im Standgas und mit angezogener Handbremse, es brennt lichterloh, ich bin ratlos und traurig zugleich. Mir fallen 1000 weitere Statements ein, aber ganz ehrlich, ich kann sie auch nicht mehr hören! Wie oft wurde ich jetzt schon gefragt, wie es mir geht und wann es weitergeht.


Mir geht es aber gut, das vorweg! Ich bin gesund und habe eine tolle Familie und eine Crew in der Firma um mich herum! Alle sind sehr bemüht und helfen wo es geht. Aber wobei?! Sicherlich haben wir ein paar ganz wenige Projekte machen dürfen, sind aber ewig weit weg von dem, was wir normal jetzt tun würden. Wir scharren mit den Hufen und wollen sofort wieder loslegen, die Frage ist nur wann. Das kann mir niemand beantworten.

In den Medien gibt es jede Menge Ratschläge und Ansätze, aber davon ist bei uns in der Branche „Veranstaltungstechnik“ bis dato nicht wirklich was angekommen, auch ist die Öffentlichkeit über unsere Situation wenig gut informiert.

Ein Beispiel: im Juni hat es eine Aktion gegeben für Business: „Night of the Lights“. Dort haben weit über 5000 Firmen in Deutschland in einer Aktion bei Dunkelheit verschiedene Gebäude rot beleuchtet und dann später in den sozialen Medien darüber berichtet. Da sind unglaublich viele tolle Projekte dabei rausgekommen. Ich war selbst an dem Abend dabei, weil mir sehr viel an der Sache liegt. Wir konnten in der Innenstadt unser Rathaus beleuchten, sah super aus und hat auch bei den vielen Passanten reges Interesse hervorgerufen. Erschrocken war ich aber über die (nicht böse gemeinte) Unwissenheit der Zuschauer: „das sieht aber toll aus, ist das schon fürs Stadtfest?!“ oder: „das sollte öfters gemacht werden“.

Hier hat sich gezeigt, wie wenig informiert viele Mitbürger über unsere Situation sind! Uns steht das Wasser bis zum Hals. - Ich bin jetzt schon über 30 Jahre in der Szene unterwegs und habe viel Höhen und Tiefen erlebt, nach wie vor macht mir der Job extrem viel Spass, so konnte ich seinerzeit mein Hobby zum Beruf machen und mich mit meiner Firma in Münster sehr gut platzieren. Aber jetzt muss es wieder losgehen, sonst wird’s sehr leise und dunkel am Horizont! Ich bin aber voll  Hoffnung, wir stehen „stand by“ .

2. Ich möchte endlich wieder normal arbeiten und meinen Jungs eine Perspektive bieten. Wir wollen durch unsere Arbeit Spass und Freude vermitteln. Endlich mal wieder ne Überstunde machen und losfahren. Alle Kabel sind geputzt, alle Geräte gewartet und gecheckt…

Peter Gonschorek (Kompakt Sound), geboren am 7.7.1966 in Münster, hier zur Schule gegangen, Abi gemacht, danach ´ne Lehre zum Maschinenbauer, Bundeswehr, das volle Programm.
Zwischendurch schon immer als DJ gejobbt, Partys organisiert, letztlich das Hobby zum Beruf gemacht.  Ich lebe hier in Münster (mit Claudia) und will hier auch nicht mehr weg!

Nikola Materne

Nikola Materne

1. Zur Krise und meiner persönlichen Situation: Anfang dieses Jahres hatte ich beruflich einen guten Drive. Viele Auftritte und Vorträge waren geplant, ein Buch gerade veröffentlicht, eine Theaterproduktion, ein neues Programm… mit der Vollbremsung und der plötzlichen Zukunftsangst als Freiberuflerin musste ich erst einmal klarkommen. Sehr dankbar bin ich dafür, dass ich sowohl im privaten Gesangsunterricht, als auch an der Musikschule meinen Unterricht per Computer weiterführen konnte. Die Studis haben super mitgemacht und auch meine Schüler*innen sind mir treu geblieben. Und langsam trudeln wieder ein paar Auftritte rein… der Blick in die Zukunft und auch auf die globale Lage ist natürlich dennoch bedrückend.


2. Ich würde mir wünschen, dass die Solidarität der Menschen untereinander immer stärker wird, um Probleme wie Klimawandel, Pandemie, Rassismus etc. zu bewältigen und den Egoismus und Nationalismus verdrängt.

Hörtipps:
1. Lianne la Havas, das Album heißt auch „Lianne la Havas“ (Anspieltipp „Bittersweet“)
2. einer meiner All-Time-Favourites: Joni Mitchell „Both Sides Now“
3. Goldfrapp „Felt Mountain“ und „Tales of Us“

Nikola Materne: Sängerin, Singer-Songwriterin, Vocalcoach und Autorin, www.nikolamaterne.de

John Keise (Honest John)

John Keise (Honest John)

1. Was haben Wir über uns selbst gelernt? - In den letzten Monaten hat sich das Leben auf der ganzen Welt drastisch verändert. Der Corona-Virus-Ausbruch ist nicht nur eine globale Pandemie, sondern auch ein Lebensveränderer. Menschen überall werden gebeten, zu Hause zu bleiben und sich von anderen fernzuhalten, um das Infektionsrisiko zu verringern. Corona hat schreckliche Krankheit und Tod mit sich gebracht, aber es hat auch einige wichtige Lektionen für das Leben hervorgehoben.


Für sich selbst kochen zu können, ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die eine Person haben kann, weil Sie von sich selbst abhängig sind. Es lehrt Dir Selbstverträglichkeit und Du sparst viel Geld. Wir haben gelernt, wie wichtig es ist, zu essen, und wissen genau, was in unserem Essen enthalten ist. Wir haben wieder gelernt, die Natur zu schätzen. Weil es ist der einzige sichere, oberflächenlose Ort, an dem man spazieren gehen kann. Die Natur ist wunderschön, das können wir jetzt sehen. Wir haben gelernt, zufrieden zu sein, wenn wir alleine sind. Den ganzen Tag fernzusehen reicht nicht mehr aus. Deshalb müssen wir versuchen, etwas Anderes zu finden. Körper und Geist ist das Zuhause und wir haben gelernt, damit zu lieben und zu leben.

Ich bin seit März über 750 Kilometer auf meinem Fahrrad gefahren. Also kam alles, worüber ich hier gesprochen habe, indirekt zum Einsatz, ohne dass ich es wusste. Das Corona-Virus ist nicht nur schlecht.

2. Ein Traumkonzert im Jahr 2021. Aufgrund des Corona Virus Lock-Down konnte ich viel Musik hören. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, sich darauf zu konzentrieren, die Jazzbotschaft anderen zu vermitteln. Nächstes Jahr möchte ich mich auf das Projekt konzentrieren, das ich in diesem Jahr geplant hatte. Und das soll das Leben von Charlie Parker, Miles Davis und Jimi Hendrix in einem Konzert und zur gleichen Zeit feiern. Nach meinem Erfolg im letzten Jahr mit meiner Hommage an "Blue Note Records" im Blue Note, Osnabrück, ist das Interesse jetzt wirklich groß. Man hat mich gebeten, ein Konzert meiner Wahl zu veranstalten. Ich freue mich darauf, eine Band mit lokalen Musikern zusammenzustellen [ich habe Zeit John, denk an mich, Anm. mex] und mich auf harte Arbeit einzulassen. Diesmal gibt es natürlich keine Entschuldigungen dafür, kein Konzert in Münster zu veranstalten, denn das ist meine Hauptpriorität.

Hörtipps:
1. Kandace Springs "The Women Who Raised Me"
2. Tony Kofi "Another Kind of Soul"
3. Trilok Gurtu "God is a Drummer"

John Keise (Honest John), Musiker, DJ, Veranstalter

Stephan J. Schulze

Stephan J. Schulze

1. Als nicht selbständiger Musiker trifft mich die Krise gottlob nur mäßig, da meine Arbeitgeber so nett sind, für den Online-Unterricht und Ähnliches mein Gehalt zu bezahlen… Aber mir fehlt die Kultur – aktiv und passiv – Kino, Theater, Konzerte: Ich hoffe, dass diese SEHR SYSTEMRELEVANTEN Dinge bald wieder stattfinden können…


2. Hoffentlich hat die Menschheit diesen Schuss vor den Bug richtig verstanden und löst globale Krisen in Zukunft schlauer, vor allem die ökologische… das wäre mein Wunsch!

Hörtipps:
1. Donald Fagan „The Nightflight”
2. Clifford Brown and Strings
3. Esa Pekka Saloonen / Los Angeles Symphony Orchestra: The Bernard Herman Filmscores

Sebastian Schnake

Sebastian Schnake

1. Alle Gigs abgesagt. Angst. Gitarrenschule geschlossen. Panik. Was nun? Onlineunterricht? Investiert: neuere iMacs. Webcams. LAN. Highspeed Internet. Hoffnung. Dann Auflagen des Landes NRW. Hygienekonzept, Plexiglasscheiben. Desinfektionsmittel. 'Mit Abstand' die treuesten Gitarrenschüler*innen. Solidarität, Geduld und Flexibilität. Dankbarkeit. Geschafft? mal abwarten..."


2. Was ich mir wünsche: Dass alle Musikerkolleg *innen und Kolleg*innen aus der Veranstaltungsbranche bald wieder in ihren Berufen arbeiten können und wieder auf oder hinter die Bühne kommen. Und das wir alle gesund bleiben natürlich.

Hörtipps:
1. Julian Lage – „Song Nocturne“
2. Faithless, das Album “Outrospective” 
3. “Whiplash", der Film von Damian Chazelle

Sebastian Schnake, viel beschäftigter Gitarrist und Betreiber einer Gitarrenschule,
www.gitarrenunterricht-muenster.de

Matthias Beckmann

Matthias Beckmann

1. Als die Corona Pandemie Mitte März dieses Jahres anfing, dachte ich mir, jetzt überbrücke ich diese Zeit mit Songs für mein neues Album “NATURE BOY“ zu schreiben, doch mittlerweile fallen ja auch fast alle Auftritte weg bzw. es gibt nur diese Live Stream Konzerte, natürlich ohne Publikum. Oder ich muss als Bläser gegen eine Plexiglasscheibe spielen, wegen des Aerosolausstoßes. Trotzdem gebe ich nicht auf mich mit positiven Gedanken zu beschäftigen und zielstrebig einfach weiterzumachen. Es ist nicht immer ganz leicht, doch ich hoffe ganz fest, dass es auch eine Zeit nach Corona, wenn auch vielleicht etwas anders, geben wird. Nie hätte ich auch nur im Geringsten daran gedacht, dass mal solche Zeiten auf uns zukommen werden.


2. Somit ist mein Wunsch auch ganz eindeutig: Ich wünsche mir wieder Konzerte, in denen man als Musiker auch wieder direkten Kontakt zum Publikum haben darf, denn nur so kann eine Symbiose zwischen Publikum und Musikern entstehen die live gespielte Musik ausmacht. Aktuell merkt man das Fehlen des Publikums mehr denn je. Und auch die sozialen Kontakte zwischen Musikern und Publikum wünsche ich mir zurück.

Hörtipps:
Da fällt mir natürlich sofort mein letztes Album „Mpenzi Wangu“ ein. Ansonsten empfehle ich „Rubberband“, das “neue“ Album von Miles Davis sowie „Quiet Kenny“ von Kenny Dorham.

Matthias Beckmann, Jazzmusiker aus Münster, www.beckmann-band.de

Und das war es auch schon wieder für diese Woche. Vielen Dank allen für´s Mitmachen. In der nächsten Woche gibt es dann die Fortsetzung mit weiteren Stimmen aus Münsters Musikszene. Bis dahin viel Spaß beim Nachhören der Musiktipps. Und natürlich gilt wieder: Wer einsteigen möchte sende bitte eine mail an manfred.wex@nadann.de

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