Von Manni, 26.08.2020

Grüße von der Insel #19

-Corona Jam Session, last Set-

So liebe Freund*innen, auch die schönste Session muss einmal ein Ende haben. In den vergangenen fünf Ausgaben haben sich an dieser Stelle, mit der heutigen Folge, 29 Münsteraner Musiker*innen und ein Soundexperte zur Corona-Situation geäußert und ihre Wünsche formuliert. Und obendrauf haben sie uns mit fürwahr vielfältig gemischten Hörempfehlungen versorgt, ein Angebot, das man nicht ausschlagen sollte.
Ja, es gibt sie alle noch, die Kolleg*innen, auch wenn sie aktuell zwangsweise ein wenig von den öffentlichen Bildflächen verschwunden sind. Und natürlich sind es auch noch sehr viel mehr, die in diesen verrückten Zeiten so selbstverständlich wie hartnäckig daran arbeiten, einen Weg zu finden, ...ihre Kreativität zu pflegen, zu erhalten und auszuleben um somit ihrer Kunst das Überleben zu ermöglichen.
Also, noch einmal kurz die Fragen in Erinnerung rufen und dann geht hier ein letztes Mal das Wort an die Künstler*innen:


• Bitte eine kurze Bemerkung zur aktuellen Krise, beziehungsweise ein Statement zu Deiner persönlichen Situation.
• Du hast einen Wunsch frei. Lass doch mal hören!
• Wenn Du willst, hättest Du bitte ein paar Hörtipps für uns?

Wolfgang Ekholt

Wolfgang Ekholt

1.
Da ich nicht ausschließlich Freelancer bin, hat mich Covid-19 finanziell nicht so hart getroffen wie andere Kolleginnen u. Kollegen. Etliche Gigs sind zwar ausgefallen, aber mir geht es gesundheitlich gut und ich habe viel geübt und neue Sachen ausprobiert.

2. Ich wünsche mir, dass Verschwörungstheoretiker und Coronaleugner ihr Süppchen nicht mehr auf Kosten der Gesundheit anderer kochen - und dass das durch das Virus veranlasste Bewusstwerden der Maßlosigkeit in vielen Bereichen unserer kapitalistischen Welt zu einer längerfristigen Verhaltensänderung führt. Leider glaub' ich nicht daran: wenn die Krise vorbei ist, geht es so weiter wie vorher.

Hörtipps:
John Coltrane: Crescent (wg. Spirit)
Miles Davis: Four and More (wg. Tony)
Bela Bartok: Concerto for Orchestra (wg. Bartok)

Wolfgang Ekholt, Schlagzeuger aus Münster


Juan Carlos Sabater

Juan Carlos Sabater

1.
Corona - Seien wir ehrlich, das hätte schon längst einmal passieren können. Meine persönliche Situation als Musiker ist sehr schwierig, weil ich wegen dieses Virus´ nicht mehr normal arbeiten kann.

2. Ich wünsche mir Gesundheit für die Welt. Die Gesellschaft muss mehr auf die allgemeine Hygiene achten, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum, damit es keine weiteren Pandemien gibt.

Hörtipps:
-Von Pat Metheny kann ich eigentlich alles empfehlen
-Larry Carlton – Sleepwalk (und sein “So What” live aus dem “Baked Potato“… ufff)
-und all die Gitarristen: George Benson, Lee Ritenour, Mike Stern...

Juan Carlos Sabater: Münsteraner Musiker, Gitarrist, Sänger, Songwriter aus Caracas, Venezuela.


Wolfgang Proppe

Wolfgang Proppe

1.
Nach dem anfänglichen Schrecken pendelt sich die Krise in einen wabernden Dauerzustand ein, der uns, wie ich fürchte, noch lange begleiten wird. Die Unsicherheiten bleiben bestehen, das macht mir am meisten Angst.

2. Ein Konzert in ausverkaufter Hütte spielen.

Hörtipps:
1. „Mon Oncle“ – Franck Barcellini (aus “Jacques Tati – Mon Oncle”)
2. “How Is Weather In Paris?” – Alain Romans (aus “Jacques Tati – Die Ferien des Monsieur Hulot”)
3. “La Chanson de Maxence” – Michel Legrand (aus „Les Demoiselles de Rochefort“ – Jacques Demy)

Wolfgang Proppe, Pianist mit jeder Menge Keyboards, Studiobetreiber, lange Münster, jetzt lange Köln
www.erdmoebel.de


Nicole Saal

Nicole Saal

1.
Zunächst dachte ich, okay, dann verziehe ich mich jetzt für ein paar Wochen mit meiner Gitarre in mein Zimmerchen und checke- unbehelligt von irgendwelchen Alltagsanforderungen- in Ruhe ein paar abgefeimte Sachen aus. Weit gefehlt! Das sehr anstrengende Aufsetzen und Durchführen des „Online-Unterrichts“, digitale Tücken an allen Fronten, und nicht zuletzt ein unwirsches, unklares und irgendwie gewittriges Lebensgefühl waren nicht so kreativitätsfördernd. Wir werden wohl alle
eine Strategie finden müssen, die Wirklichkeit trotz Virennebel nicht aus dem Auge zu verlieren.

2. Wünsche hätte ich viele: -Ein bisschen weniger „Dortmund-Schalke“ in der allgemeinen Diskussion. Nicht jeder, der sich vor einer Impfpflicht gruselt, ist ein durchgeknalltes Aluhütchen oder gar ein Nazi; nicht jeder, der Respekt vor der Pandemie hat und bereit ist, eine Maske zu tragen, ist ein willenloses, von perfiden geheimen Mächten gelenktes Herdenschaf.... Außerdem wünsche ich mir, dass der gesunde Menschenverstand nicht komplett der künstlichen „Intelligenz“ geopfert wird, und dass das Münster unserer potentiellen Enkelkinder nicht in einer Wüste liegt.

Hörtipps:
Und ein bisschen Gemütsnahrung gegen die Verzagtheit
Jonathan Kreisberg - „The Spin“
Camila Meza - „Greenfinch and Linnet Bird“
Kenny Burell & John Coltrane - „Why Was I Born?“

Nicole Saal, Gitarristin und Gitarrenlehrerin


Chris „Little“ Melonae, Selbstportrait mit Virus

Chris „Little“ Melonae

Platz mit Sichtbehinderung
Neben mir saß ein Mensch,
beklagte sich, er würde nur die Korona sehen.
Ich sah ihn an und nickte: Es ist eine Frage der Konstellation.
Sie haben einen Platz mit Sichtbehinderung.
Neben ihm war ein Platz frei;
ich sagte ihm er solle doch weiterrücken,
dann sähe er die Sonne.

Mein Wunsch wäre, wir würden alle einen Platz weiterrücken

Hörtipp:
Woodkid – „Goliath“ (Official Video)

Chris “Little“ Melonae, Total-Künstler, Theoretiker, Tausendsassa. Ex-Münsteraner. Auch Ex-Bonner und Jetzt-Berliner (bürgerlicher Name der Redaktion bekannt)


Könnte diese Reihe besser enden, als mit diesem schönen Gedicht?
Wir bedanken uns hier ein letztes Mal bei allen, die so nett waren, nach unserem kleinen Rundruf Rückmeldung zu geben. Dabei waren: Tobias Sudhoff, Adrian Hemley, Andy Galore, Paul Teschner, Jan Klare, Peter Gonschorek, Nikola Materne, John Keise, Stephan J. Schulze, Sebastian Schnake, Matthias Beckmann, Ley (Lea Berger), Dominik Hahn, Jürgen Knautz, Mike Förster, Frank Konrad, Wilm Flinks, Philip Ritter, Ernie Rissmann, Daniel Paterok, Ingo Ihlenfeld Cuñado, Matthias Schröder, Jochen Welle, Wolfgang Ekholt, Juan Carlos Sabater, Wolfgang Proppe, Nicole Saal und Chris „Little“ Melonae.
Danke für Eure Statements und all die feinen Musikempfehlungen. Bartok, Broken Shadows und Vulfpeck habe ich mir schon ausführlicher gegönnt, auf die Filmmusiken und die vielen Titel, die ich noch gar nicht kenne, freue ich mich als nächstes... Helene Fischer spare ich mir wohl besser für noch schwerere Zeiten auf. Also, besten Dank und bis demnächst...
Und, das gibt es doch gar nicht, höre ich da etwa ein „ZUGABE... ZUGABE...“?
Aber das ist doch überhaupt kein Problem. Wie schön, dass Stephanie Klco-Brosius und Manfred Schulz im Haus sind und hier die allerletzten Worte haben:

Stephanie Klco-Brosius, Grüße aus Florida

Stephanie Klco-Brosius

Ich bin seit Ende Juni bei meiner fast 95-jährigen Mutter in Florida. Sie war ganz alleine. Ich versuche, sie soweit wie möglich zu unterstützen und aufzupassen. - Ich träume davon, wieder Musik machen zu können... Bis dahin muss ich mit Sonnenaufgängen und schönen Zeiten mit meiner Ma meine Tage verbringen.
Liebe Grüße nach Münster! Stay safe and healthy everyone!!

Stephanie Klco-Brosius, jazz vocalist, lyricist, songwriter und Wahlmünsteranerin
www.stephanie-k-jazz.com


Manfred Schulz

„Sollte es so bleiben, katapultiert Corona die Musikwelt in die Zeit vor Elvis zurück.“

Hörtipps:
To bring you my love - PJ Harvey
Hejira - Joni Mitchell
Masseduction - St Vincent

Manfred Schulz, Tontechniker, Gitarrenlehrer, Musiker.


That´s it.
Und wer alle Beiträge noch einmal nachlesen möchte, der findet sie ganz einfach unter:
www.nadann.de/rubriken/aufbruch/gruesse-von-der-insel/#15-#19

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Manfred Wex
ist seit 35 Jahren bei der nadann… , Musiker (u. a. Walking Blues Prophets) und lebt in Berlin.
manfred.wex@nadann.de

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