Von Tobi, 29.04.2020

Nunc est bibendum!

Das waren noch Zeiten...

Heute schreibe ich aus der Sicht des Weinhändlers, dem schönsten Teil meiner multiplen beruflichen Persönlichkeit.
Meine jährliche Hausmesse sollte am 13. März stattfinden; ab diesem Tag hat die Stadt Münster Großveranstaltungen untersagt. Am selben Abend fand ersatzweise eine Weinprobe mit Stammkunden in privatem Rahmen statt – es sollte die bislang letzte sein. In den Tagen danach schlossen meine gewerblichen Kunden. Nur Seven Days, der charmante Kiosk am Aasee, verkauft seitdem weiter meine Weine.
Die anfängliche Sorge, aufgrund einer möglichen Ausgangsperre vielleicht auch nicht mehr persönlich ausliefern zu dürfen, hat sich zum Glück nicht bestätigt. Seitdem fahre ich über leere Straßen und ohne Terminabsprache zu Kunden, die immer zu Hause sind.
Nach ein paar Tagen spürbarer Konsumzurückhaltung zogen die Online-Aufträge kontinuierlich an – logisch, die Leute sitzen zu Hause und haben Durst. „Nunc est bibendum“, frei übersetzt „Jetzt wird gesoffen“: Schon die alten Römer kannten den Plan! Besonders gefreut hat mich, dass nicht wenige Kunden, von denen ich lange nichts gehört hatte, wieder dabei sind und schreiben, dass sie mir in dieser besonderen Situation mit ihrer Bestellung helfen wollen. Auch an dieser Stelle herzlichen Dank dafür!


Hurra! Vino italiano!

Die Sache hatte nur einen Haken: Mein Lager war fast komplett leer, die neuen Weine kommen traditionell im März in in den Handel und ich wollte natürlich erst das Ergebnis meiner Jahreshauptveranstaltung abwarten. Normalerweise kommt Nachschub innerhalb von einer Woche aus ganz Europa. Aber normal ist ja bekanntermaßen nichts mehr. Also: Einen Monat lang kein Wein aus Italien, kein Wein aus Spanien, keine Versandkartons aus Tschechien. Hatte das Weingut geöffnet, fuhr keine Spedition. Oder das Umschlaglager war geschlossen. Oder umgekehrt. Zig Kunden mussten vertröstet werden, aber alle haben geduldig abgewartet. Noch eine schöne Erfahrung!
Was lerne ich daraus für die Zukunft?
1. Ich muss langfristiger planen; das System der ultraschnellen Lieferketten ist nicht weiter verlässlich.
2. Ich werde meine loyale und geduldige Kundschaft nach Kräften hegen und pflegen.
3. Ich werde mich noch intensiver auf kleine Erzeuger konzentrieren. Familienbetriebe sind gegen Ausgangssperren immun.
4. Ich werde den Weinhandel intensiver bewerben. Tue ich hiermit:
divino.de – kleine Winzer – große Weine!
Alles Gute, bleibt gesund und trinkt verantwortungsvoll!
Euer Tobi


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Tobias Voigt
ist 49 Jahre alt und hat zwei Töchter. Er wohnt in Münster, arbeitet seit 25 Jahren bei der na dann und ist Weinhändler (divino.de)
tobi@nadann.de

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