Von Tobi, 03.06.2020

Schäumchen, aber günstig? Teil 2

So, wo waren wir? Ach ja, pro Flasche Sekt aus dem Discounter € 2,79 minus 19% Mehrwertsteuer macht € 2,34 netto. Abzüglich € 1,02 Schaumweinsteuer sind wir bei € 1,32. Die Ausstattung, also Flasche, Etikett, Halsschleife, Korken, Agraffe, Kapsel und Karton, schlägt, auch bei riesigen Produktionsmengen, noch einmal mit mindestens € 0,62 zu Buche.

Weinberg, industriell

Damit sind wir bei € 0,70. Für diese 70 Cent muss ein Weinberg über das Jahr gepflegt, die reifen Weintrauben gelesen, aufbereitet, gepresst, der dabei entstehende Most vergoren, der fertige Wein gefiltert, in einen Tank(wagen) abgefüllt und zur Sektkellerei transportiert werden. Hier wird aus den angelieferten Weinen ein Grundwein komponiert und zusammen mit einem Gärhefe-Zucker-Gemisch (das nennt man "Tirage") in einen Tank gefüllt. Dort findet dann eine zweite Gärung unter Luftabschluss und Gegendruck statt, so dass das bei der Gärung entstehende Kohlendioxid nicht entweichen kann und als Bläschen im Wein verbleibt. Diese Methode heißt "Charmat-Verfahren". Alternativ gibt es noch die wesentlich aufwändigere traditionelle Flaschengärung, bei der die zweite Gärung bereits in der Flasche, in der der Schaumwein verkauft wird, stattfindet.


Weinberg, handwerklich

Zum Schluss wird mittels Zugabe von Traubenmost, Fruchtzucker und / oder lieblichem Wein ("Dosage") der Süßegrad eingestellt. "Trocken" bzw. "Dry" zum Beispiel bedeutet bei Schaumweinen nämlich keinesfalls "trocken", sondern definiert einen Zuckergehalt von 17 bis 32 Gramm pro Liter. Der fertige Sekt wird sodann in Flaschen abgefüllt, verschlossen, etikettiert und verpackt. Eine Spedition bringt ihn dann noch in mindestens ein Zwischenlager und von da kommt er irgendwann in den Supermarkt.


Also, nochmal: 70 Cent für Winzer oder Winzergenossenschaft, Sektkellerei, Spedition und Supermarkt. Da sind die anteiligen Kosten für genutzte Tanks, Maschinen, Geräte, Immobilien, Fahrzeuge und andere Produktionsmittel noch nicht einmal mit drin.

Was bedeutet das? Dass Ihr, liebe Brausejungs und Sektdrosseln, so etwas auf keinen Fall trinken solltet. Selbst, wenn Produzent und Handel bei der Sektsteuer den Fiskus prellen sollten (ist schon vorgekommen), wärt Ihr mit € 1,72 auch nicht besser dran. Für diesen Preis gibt es nicht den lieben Winzeropi, der in rustikaler Weinstube weichgezeichnet an seinen Flaschen im Rüttelpult herumdreht, sondern leider nur vollindustrialisierte Resteverwertung.

Weinlese, industriell

Die Weinberge sind, soweit möglich, für die maschinelle Bearbeitung optimiert, werden ertragmaximiert bepflanzt und mit ordentlich Chemie Schädlings- sowie fremdflorafrei gehalten. Die Lese erfolgt mit Vollerntern, die, ohne Rücksicht auf Reifegrad und Gesundheit der Trauben, die Beeren von den Weinstöcken rupfen. Das Lesgut kommt dann meist so, wie es ist, in die Presse.


Weinlese, handwerklich

Bei der Vergärung des qualitativ oft minderwertigen Mostes entstehen sogenannte Fuselöle. Diese Alkohole, deren Moleküle aus mehr oder weniger als den zwei Kohlenstoffatomen des Trinkalkohols Ethanol aufgebaut sind, wirken als Körpergift und machen die fiesen Kopfschmerzen. Die von überall her angelieferten Weine werden zu irgendwas zusammengemixt, in riesigen Margen versektet und dann höchstens "trocken" (siehe oben) oder besser noch süßer verkauft, damit Ihr die klebrige Miege am Ende irgendwie durch den Hals bekommt. Eklig, oder?


Also: Lasst es. Solch Billiggesöff macht Euch zwar erst lustig, aber danach krank. Das ist am Ende für Euch teurer, als Eure armen Leiber wenigstens mit gutem Stoff zu quälen. Gebt für Wein mindestens vier und für Schaumwein nicht weniger als sechs Euro aus. Noch besser wären sechs bzw. zehn Euro, dann landet Eurer Geld oft schon bei leibhaftigen Winzer(inne)n und nicht bei durchindustralisierten Weinkonzernen.

In diesem Sinne: Prost!

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Tobias Voigt
ist 49 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Töchter. Er wohnt in Münster, arbeitet seit 25 Jahren bei der na dann und ist Weinhändler (divino.de)
tobi@nadann.de

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