Von Tobi, 17.06.2020

Schule 2020, oder eher: 1920? – Teil 2

Schule ist Sache der Länder, nicht des Staates. Das führt leider nicht dazu, überall die bestmögliche Ausbildung aller Kinder unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten zu ermöglichen. Das interessiert niemanden. Stattdessen überbieten sich profilierungssüchtige und gleichzeitig fachlich ungeeignete (sonst würde es ja besser laufen) LandespolitikerInnen mit abseitigen Schulkonzepten, ohne auf deren Durchführ- oder gar Finanzierbarkeit zu achten.
Nehmt den LandesfürstInnen die Entscheidungsgewalt über die Schulpolitik weg, damit gleiche Verhältnisse für alle Kinder geschaffen werden, anstatt weiter diesen Irrsinn auf dem Rücken unserer Kinder zuzulassen!

Dann wird von oben nach unten an- und zugewiesen. Der Weg ist also: MinisterIn > Ministerium > Bezirksregierung > Schulamt > Schulleitung > LehrerIn, bei Eingaben natürlich umgekehrt. Jede Ebene will ihren Senf dazugeben und ist außerdem verbeamtet. Alle mögliche Effizienz versickert damit spätestens nach zwei Ämterdurchläufen. Ein kritischer Diskurs zwischen den Ebenen findet nicht statt (und ist anscheinend auch nicht erwünscht, denn sonst würde es ja besser laufen).

Tablet statt Atlas - das wär was!

Ein Beispiel: Es wurde im Laufe des Lockdowns diskutiert, das Homeschooling durch Online-Einheiten zu ergänzen. Fazit: Es könnte ja sein, dass in einer oder mehreren Familien kein Handy oder Computer oder Laptop mit Internetanschluss zur Verfügung steht. Und darum dürfen dann alle nicht, weil die Kinder ja alle gleich gut behandelt werden müssen (ein Schelm, wer Arges dabei denkt)!


In der Klasse unserer jüngeren Tochter sind allerdings ALLE Familien in der WhatsApp-Gruppe der Klassenpflegschaft vertreten, also online erreichbar. Dennoch geht es nicht, weil das ja VIELLEICHT in einer ANDEREN Klasse NICHT so ist. Überprüft wurde diese Annahme übrigens nicht. Statt in Notsituationen sinnvolle Hilfen einfach zu ermöglichen, wird der Amtsschimmel geritten. Oder, anders gesagt: Die Einhaltung absurder Regeln ist wichtiger als der Lernerfolg der Kinder.
Noch ein Beispiel: Frau Gebauer, unsere Schulministerin, war vor ein paar Wochen der Überzeugung, dass innerhalb der Notbetreuung maximal fünf (!) Kinder in einer Lerngruppe sein durften. Auf „unsere“ Grundschule bezogen hieße das: Bei vierzig Kindern in der Notbetreuung und sieben Klassenlehrerinnen geht das – richtig – nicht. Die gleiche Dame hat ein paar Wochen später kein Problem damit, wieder alle Kinder in die Schule zu lassen. Ein Plan für die Schulleitungen, wie das pandemiekonform gehen soll – tja, dafür hat in den letzten Monaten im Schulministerium leider keiner Zeit gehabt…
Lasst die Schulen sich selbst von Fachleuten verwalten und von Schul- bzw. Jugendämtern beaufsichtigen. Es gibt hier etliche Schulen in privater Trägerschaft, wo das ganz hervorragend funktioniert. Stattet die Schulen mit ordentlich Budget aus. Geld ist genug da, und die Bildung unserer Kinder ist wichtiger als Agrar- und Industriesubventionen oder noch eine Autobahnspur mehr.
Nun die Qualifikation. Die Ausbildungsinhalte unserer Lehrerschaft und die Lehrpläne an den Schulen sind nach wie vor vom humanistischen Bildungsideal geprägt, die Lerntechniken im Großen und Ganzen auf dem Stand des letzten Jahrhunderts stecken geblieben. Fortbildung der Lehrkräfte und wirkliche Modernisierung der Unterrichtsstoffe sieht das System nicht vor. Eine Leistungskontrolle findet nicht statt.
Also: Modernisiert und reorganisiert die Lehrerausbildung. Führt einen Lehrplan und Schulkonzepte ein, der ALLEN Kindern die Basics mitgibt, auch wenn von zu Hause keine Unterstützung kommt. Verpflichtet die Lehrerschaft zur Weiterbildung und zur Leistungskontrolle. Führt Supervision und wirkliche schulpsychologische Begleitung der Kinder UND LehrerInnen ein. Sorgt für genügend Personal. Schafft für individualisiertes Lernen und Inklusion auch die Voraussetzungen. Und, so leid es mir tut: Schafft den Beamtenstatus der Lehrerschaft ab, der macht nur träge.

H. Geißler: Es gibt Geld wie Dreck auf der Welt. Es haben nur die falschen Leute!

Und zum Schluss die Bezahlung: Warum verdienen Gymnasial- und BerufsschullehrerInnen mehr als Grund-, Haupt-, Real- und SonderschullehrerInnen? Jede Schulform hat ihre typischen Herausforderungen, also bezahlt lieber die Lehrkräfte besser, die dahin gehen, wo keiner hin will.
Am Ende ist doch nur eines wichtig: dass qualifiziertes, fortgebildetes und motiviertes Personal eine überschaubare Anzahl Kinder den jeweiligen persönlichen Fähig- und Möglichkeiten entsprechend in einem gemütlichen, sauberen Gebäude nach zeitgemäßen Kriterien unterrichtet und dabei alle notwendigen analogen sowie digitalen Lernmittel zur Verfügung stehen. Dies können und müssen wir uns als Gesellschaft leisten!


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Tobias Voigt
ist 49 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Töchter. Er wohnt in Münster, arbeitet seit 25 Jahren bei der na dann und ist Weinhändler (divino.de)
tobi@nadann.de

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