Von Tobi, 24.06.2020

Schäumchen – Nachlese: Prosecco!

Proseccohauptstadt

Das heute berühmt-berüchtigte Modegetränk war früher "nur" der lokal konsumierte Alltagswein des venezianischen Voralpenlandes. Der echte, ursprüngliche Prosecco kommt von den steilen Höhenlagen des beginnenden Alpenvorlandes zwischen den Orten Conegliano und Valdobbiadene in der Provinz Treviso. Die zugehörige Weinstraße, die alle Prosecco-Dörfer durchläuft, ist gerade einmal 30 Kilometer lang. Dazu gibt es noch ein paar Ecken im weiter östllich gelegenen Friaul, wo Prosecco angebaut wird. Das wars! "Prosecco" bezeichnet im Übrigen nicht einen Herstellungsart, sondern ist der Name der Rebsorte, aus der die Schäumchen bereitet werden.


Problematik einer Erfolgsgeschichte

Ab Mitte der achtziger Jahre fingen größere Winzer, in erster Linie Carpené Malvolti und Mionetto, an, Prosecco massiv zu vermarkten und zu exportieren, zuerst ins restliche Italien, dann ins vorwiegend deutschsprachige Ausland. Ab den 90er Jahren setzte dann ein regelrechter Boom ein.
Aus vielen ehemals kleinen Winzerbetrieben und Kooperativen sind daher heute große Weinfabriken geworden. Der ständige Expansionsbedarf, gepaart mit zunehmendem Preis- und Erfolgsdruck der immer größer werdenden Unternehmen, führte zur (von der EU geförderten) Umwandlung von Ackerland in der Ebene zu minderwertigem Rebland in großem Stil, Aufkauf von Lesegut kleiner Weinbauern, Verschnitt mit anderen Rebsorten und Formung eines im Labor geklonten "Firmengeschmacks" aus zig verschnittenen Einzelweinen.

Die traurige Realität

Was sich also in den Supermarktregalen als „Prosecco“ tummelt, kommt leider aus maschinell bearbeiteten Riesenweingärten in der Poebene, die man ausgiebig von der Autobahn Milano - Venezia aus besichtigen kann. Diese Weine sind, wegen geringerer Sonneneinstrahlung, schlechterer Grundwasserbedingungen und im Grunde wenig geeigneter Bodenbeschaffenheit, qualitativ in jedem Fall minderwertiger, oft mit anderen Rebsorten verschnitten und haben mit dem eigentlichen Getränk meist nur noch wenig gemein. Bisweilen fahren solche Tröpfchen auf dem Weg von Süditalien Richtung Alpen auch nur auf benannter Autobahn im Tanklastzug durch die Region hindurch…

Nicht so lecker

Im Ergebins ist "Prosecco", egal in welcher Form und Variante, zum billigen Massenartikel und Synonym für leichten, prickelnden Weißwein geworden. In gewisser Weise beerbte er somit den "Frizzantino" der Nachkriegs-Adria-Touristen. Quasi als Echo aus der deutschen Weinwirtschaft gibt es seit einer Weile auch noch "Secco"; das ist aber nachträglich mit Kohlensäure versetzter Weißwein, also eine billig gemachte Trittbrettfahrerei, die man schon anhand der wesentlich groberen Bläschen im Getränk und der klebrigen Süße entlarven kann.


Ausblick

Es steht also zu befürchten, dass Prosecco das gleiche Schlicksal ereilt wie Valpolicella, Bardolino, Soave, Frascati & Co.: das Image im Ausland durch eine Flut von Billigprodukten und immer schlechtere Qualität der großen Marken ramponiert, die berühmtesten Kleinerzeuger preislich unerschwinglich, dazwischen ein auf homöopathische Größe geschrumpftes Mittelfeld von Überzeugungstätern, die glücklicherweise unverdrossen weitermachen.
Ihnen sollte daher, auch in Zukunft, unsere ganze Aufmerksamkeit gelten, um uns ein einzigartiges Getränk erschwinglich und individuell zu erhalten.

Immer lecker!

The Real Prosecco

wird reinsortig aus der gleichnamigen Rebe, heute auch "Glera" benannt, gekeltert und ist als normaler, stiller Weißwein ("Tranquillo") natürlich perlend ("Frizzante") oder schäumend wie Sekt ("Spumante") erhältlich.
Der ideale Prosecco Frizzante – Vorsicht, jetzt kommt Weinsprech! - ist ein frischer, jung zu trinkender, perlender Weißwein von leichter Eleganz und dennoch geschmacklich dichter Konsistenz. Deutliche, von einer gewissen Restsüße gestützte Fruchttöne, insbesondere Birne, Aprikose, Pfirsich und auch etwas Apfel, sowohl in der Nase, als auch auf der Zunge. Sehr säurearm, dafür manchmal mit einem leichten, angenehmen, an Mandeln erinnernden Bitterton im Abgang.


Ein wirklich guter Prosecco Spumante verfügt darüber hinaus über rauschendes, hochfeines Mousseux, etwas mehr Struktur und einen längeren Nachhall.
Alla salute!

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Tobias Voigt
ist 49 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Töchter. Er wohnt in Münster, arbeitet seit 25 Jahren bei der na dann und ist Weinhändler (divino.de)
tobi@nadann.de

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