Von Günter, 05.07.2017

OTÉ MALOYA/ KONDI BAND/ HAVANA MAESTROS/ ADDICTIVE TV/ LOLA MARSH/ DOWN AT THE UGLY MEN’S LOUNGE/ LIZ AKU/ LUCA D’ALBERTO

„OTÉ MALOYA“ ist der Titel einer weiteren musikalischen Feldforschung des umtriebigen STRUT Labels. Vornehmlich kümmern sie sich um verschollene Perlen Afrikas, diese Kompilation enthält 19, ich möchte fast sagen, psychedelische, Tracks von der kleinen Insel Réunion, gesammelt aus den Jahren 1975-86. Offensiver Gesang auf rhythmischem Fundament, aus der Tradition abgeleitet, in diesen Fällen aber ‚electric‘, sprich der Einfluss der Musik des schwarzen Kontinents ist mehr oder weniger deutlich erkennbar. Sehr speziell aber nicht minder interessant.

Vom gleichen Label und ganz neu: KONDI BAND, ein blinder Kondi (Daumenklavier)-Spieler aus Sierra Leone und der weltläufige DJ Chief Boima kreieren aus Sorie Kondi‘s individuellen Gesangslinien und den dazugehörigen Melodien seines Instruments mit minimalem technischen Aufwand eine Mischung, die sowohl Tradition transportiert, als auch den Zeitgeist widerspiegelt. „Salone“ ist in Beat und Gestus sowohl Afrika als auch Techno, mindestens so nahe an Detroit wie an Freetown.

Welthits á la Tradition Cubana

Und noch eine Verbindung von alt und neu. Die HAVANA MAESTROS präsentieren auf „Made in Cuba“ eine ausgedehnte Fortsetzung der „Rhythms del Mundo – Reihe, auf denen erfolgreiche Songs von Rock bis Pop in Latin- und Afro-Arrangements gekleidet wurden. So auch hier, die Originalstimmen, von Chic über Otis Redding zu Janelle Monáe, werden beibehalten, den musikalischen Hintergrund bilden kubanische Rhythmus- und Bläserarrangements. Pfiffig, frisch, überraschend, auf diese Weise klingen selbst altgediente Gassenhauer wieder wie neu.


Abgefahren, arbeitsintensiv, dynamisch und musikalisch unglaublich vielseitig, das ist das neue Album von ADDICTIVE TV, den beiden Sample-und Mash Up ‚Streetworkern‘ Graham Daniels und Mark Vidler. Innerhalb von 5 Jahren 200 Musiker in 25 verschiedenen Ländern aufgenommen, die Ergebnisse in kreativer Arbeit im Studio ‚zerschnippelt‘, neu zusammengesetzt, rhythmisch begradigt und daraus tolle Songs gemacht. Unglaubliche Instrumente im Einklang miteinander, mal im Rave-Tempo zum Tanzen, oder auch als Ballade mit Folkmelodie im Hintergrund. Was für ein Horizont, was für eine Arbeit, welch ein grossartiges Ergebnis!

Dagegen klingen die ‚Aufsteiger des Jahres‘ (so vom Label bestickert..) beinahe brav und normal. LOLA MARSH gestalten ihr „Remember Roses“ durchaus interessant. Verbinden etwas mystische Melodien, wie wir sie von Lana del Rey kennen, mit intensiveren Beats, etwas weniger Streichern und leicht mehr ‚Band‘- Einsatz zum Dreampop für den lauen Abend, am besten am Wasser. Tolle Sängerin, variable Band, dürfte gern noch etwas mehr sein.

Klingende Grüsse von Prof. Bop

Götz Alsmann versorgt uns, noch bevor sein Italien-Abenteuer auf CD erscheint, mit einem doppelten Strauss Raritäten aus seinem Fundus. „DOWN AT THE UGLY MEN’S LOUNGE“ ist das Motto für 2 Sampler mit je 14 echten Raritäten aus der Rock’n’Roll und dessen Mischformen Zeit vor 1962. Mambo, Cha Cha, Swing, Sänger und -Innen, Instrumentalisten, die vermutlich nicht einmal der und die kennen, die zu der Zeit schon Radio hören konnten. Stilecht neu aufgelegt auf 2 Vinyl-Platten im 10 Inch Format mit beigelegter CD und topmodern auch als ‚heisse Luft‘ (Download). Häufiger gesagt, aber selten so richtig: Lackschuhe ‘raus und ab geht’s. Keine Sorge, Prof. Bop betrachtet den Rock’n’Roll genauso wenig verbissen puristisch, wie seinen Umgang mit dem deutschen Liedgut.


Klasse Stimme, tougher Sound

Kurz und sehr gut: LIZ AKU und „Ankhor“. Neue Stimme, zwischen Hip Hop, wie etwa Erykha Badu, und programmierten Downbeats. Verlegt bei Sonar Kollektiv, das ist immer mindestens ein Grund ‘reinzuhören. Gute Songs, fette Grooves und ausgebuffte Produktion.


Zum Finale was entspannendes. LUCA D’ALBERTO liefert mit seiner „Endless“ ein fast klassisches Werk für Piano und Streicher-Ensemble. Deutlich orientiert an den Minimalisten unserer Zeit, pendelnd zwischen ganz wenig Tönen mit klarer Melodie und intensiveren Streicher-Einsätzen als rhythmische Elemente. Wenig Pop und trotzdem schön!

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

Beiträge 2017