Von Günter, 25.10.2017

ANDINA/ MAMES BABEGENUSH/ HÖGNI/ PURPLE DISCO MACHINE/ MARIAM THE BELIEVER/ ALEXANDRE THARAUD/ DAWN BROTHERS/ CARSTEN LINDHOLM

Für „ANDINA“ haben die Damen und Herren von Strut 17 quicklebendige, teils magische Tracks aus dem Peru der Jahre 1968-78 zusammengetragen. Und dokumentieren das erste Aufeinandertreffen heimischer Musikstile mit den elektrischen und elektronischen Instrumenten des Rock. Big Band Psychedelia, Anden-Folk, Cumbia, eigenwillig arrangiert, mit einem ordentlichen Schuss Pop Musik aus aller Welt, jedoch nie weit weg von den eigenen Wurzeln. Für den rundum Genuss können sich die Liebhaber mit dem gleichnamigen (in Englisch!) Kochbuch verwöhnen…

Wie hoch die Balkan-Musikwelle seinerzeit geschwappt ist, erkennt m/f spätestens daran, dass sogar Nordlichter sich ihr widmen. MAMES BABEGENUSH ist ein dänischer Sechser mit Bass, Drums und 4 Bläsern, die sich für die Live-Aufnahmen zu „With Strings“ genau um diese, 5 an der Zahl, 2 Violinen, Bratsche und 2 Cellos, ergänzt haben. Dabei entsteht eine sehr kurzweilige Mischung aus nordischer Gelassenheit und der überbordenden Lebendigkeit osteuropäischer Tanz- und Feierlieder. Von Klezmer zu Polka zu ‚Morgenstimmung‘, handwerklich äusserst gekonnt ausgeführt.

Noch ein Nordlicht. Aus Island, Umfeld Gus Gus. HÖGNI zeigt auf „Two Trains“ seine Vorstellung von moderner Chormusik in Verbindung mit elektronischen Elementen in starker Anlehnung an die europäische Avant-Garde. Metallische Sounds, pluckernder Rhythmus und dazu gelegentlich seine Stimme, die m/f auch aus der Combo Hjaltalin kennen kann.

Im Vergleich zur aktuell erfolgreichen House-Tanzmusik klingt „Soulmatic“ von PURPLE DISCO MACHINE ausgesprochen traditionell. Etwas langsamer im Tempo, richtige Melodien, ja Songs mit A und B oder mehr Teil. Mit Vocoder-Stimmen und Funk mehr 80er Jahre verwandt, als mit 2010er Club. Aber genügend gute Einfälle, unterschiedliche Gaststimmen und, in diesem Umfeld eher ungewöhnlich, erkennbar unterschiedliche Songs lassen das Album hell leuchten. Hängen noch irgendwo Disco-Kugeln?

„Love Everything“, diesen Titel interpretiere ich mal als gut gewählt für die unterschiedlichen 9 Songs des Albums von MARIAM THE BELIEVER. Frau Wallentin, so heisst sie, deckt mit ihrer Stimme und ihren kompositorischen Fähigkeiten ein wirklich grosses Spektrum Musik ab. Ob nur vom Klavier begleitet, mit kompletter Band oder elektronisch erzeugtem Background, vielseitig aber absolut stimmig, zusammengehalten von ihrer Fähigkeit, den eigenen Texten und ihrer variablen Stimme den richtigen Rahmen zu geben. Singen und Songs schreiben als Mittel zum Leben, nicht zuerst für Ruhm und Geld.

Alexandre Tharaud – Hommage an die grosse Chanteuse

Songs (Chansons) schreiben und sie selbst ausserordentlich überzeugend vortragen, das konnte sie. Vermutlich erinnern sich nur Menschen, die noch älter sind als ich an „Barbara“. Ihre grosse Zeit hatte sie in den 60ern. Ihr ‚Göttingen‘ war so etwas, wie ein Erkennungszeichen Gleichgesinnter in diesem Jahrzehnt und danach. Auf seiner neuen CD präsentiert der Pianist ALEXANDRE THARAUD, eigentlich in der Klassik beheimatet, 15 ihrer bekanntesten Songs in gekonnt sparsamer Ausstattung. Mal ein Kontrabass, mal ein Akkordeon oder eine Gitarre zum Klavier, aber für jeden Song eine passende Stimme. Das geht von Vanessa Paradis über Jane Birkin zu Juliette Binoche und der Sprecheinlage von Helmut Berger. Sehr liebevoll gestaltete Miniaturen, melancholisch, romantisch, mit musikalischer Raffinesse, aber dem gebührenden Respekt vor den Originalen. In der Erstauflage gibt es eine 2. CD mit weiteren Titeln, teils instrumental, teils nur mit Stimme.


Dawn Brothers – Die Erben von CCR?

Sind die DAWN BROTHERS die Reinkarnation von CCR? Mit einem Ordentlichen Schuss Southern und grossem Hang zum New Orleans Rock’n’Roll. 12 kurze, knackige Rocksongs füllen „Stayin’out late“, ja, eine Ballade ist auch dabei. Ansonsten lassen die 4 Rotterdamer nichts anbrennen und haben sicher keine Angst davor, sich egal wo, den A… ab zuspielen.


Carsten Lindholm – Indisch inspiriert, europäisch inszeniert

Nicht auf den ersten Blick zeigt sich die rhythmische Finesse von CARSTEN LINDHOLM’s „Indispiration“. Wer genau zuhört, bemerkt schnell die verschobenen Betonungen, anders aufgeteilte Takt-Masse. Seine imposante Gästeschar führt der Trommler /Pianist/ Kalimba-Spieler durch 14 Titel verschiedenster Stimmung, lässt den Kollegen viel Raum und hält die Musik auch in Improvisations-Teilen sehr entspannt. Wozu die beseelten Trompeten-Passagen von Eric Truffaz und Thomas Siffling einen wichtigen Beitrag leisten. Ist der Jazz-Polizei bestimmt nicht radikal genug.


na dann... Tschüß!
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