Von Günter, 01.11.2017

ORCHESTRE LES MANGELEPA/ ANOUAR BRAHEM/ KELE OKEREKE/ NAHKO/ JASPER SLOAN YIP/ SOULPERSONA/ LITTLE AXE

Unbedingt passender Titel

Das ORCHESTRE LES MANGELEPA zählt zu den afrikanischen Combos, die noch klingen, wie in der Zeit vor ‚MTV ist überall‘. Kongolesische Rumba mit flirrende Gitarren-Linien, Highlife mit fast schwebenden Beat, Gesang fast immer mit 2 oder mehr Stimmen, keine elektronischen Hilfsmittel, dafür ganz viel Gefühl für die richtige Melodie. Insofern ist der Albumtitel „Last Band Standing“ absolut treffend.


Allstars ohne Allüren

Nach dem quirligen Start kehrt mit „Blue Maqams“ Ruhe ein. ANOUR BRAHEM, in unseren Breiten vielleicht der bekannteste Oud-Spieler, bildet mit Dave Holland, Jack DeJohnette und Django Bates ein Quartett. Vier Hochkaräter, die sich auf den 9 Titeln gegenseitig genügend Raum lassen, einander sehr genau zuhören und das jeweilige Führungs-Instrument so dezent wie gekonnt unterstreichen. Dazu der spezifisch zurückhaltende Sound der Marke ECM, da kann m/f am Ende der CD nur sofort auf den Start-Knopf drücken. 77 Minuten Ruhe ohne Langeweile!


Vergleichsweise entspannte, beinahe Singer/Songwriter Kost bietet KELE OKEREKE auf seiner 3. Solo Platte. Weg vom etwas hektischen Bloc Party Sound, den kühlen Electronics der Vorgänger, klingt „Fatherland“ ziemlich ‚angekommen‘. Die akustische Gitarre vorn, mal mehr, meist weniger Bandbegleitung, gut eingepasste Bläser und emotionaler, authentischer gesungen, als von ihm gewohnt. Manchmal gar romantisch. Ja, wie werden alle älter.

Zugegeben, seine Stammband MEDICINE FOR THE PEOPLE ist mir kein Begriff. NAHKO, der Motor derselben, legt zwischendurch eine CD vor mit Songs, die er in der Zeit vor genannter Truppe verfasst hat. „My Name is Bear“ ist, wenn m/f so will, ein ‚Coming of Age’ Film für die Ohren und enthält Musik, wie er sie im Lebensalter zwischen 15 und 21 empfunden hat. Als Hilfsmittel durch die Tücken der Zeit, als Anker gegen das Treiben mit der Strömung, als Selbsthilfe. Etwas melancholisch, passend instrumentiert, sowohl allein zur Gitarre, als auch mit gut arrangierter Band. Dabei alles sehr echt und glaubwürdig. Gelungene Pop-Musik ohne die allgegenwärtigen Polituren, die es für das Format-Radio braucht.

„Post Meridiem“ ist bereits sein 3. Album. Die beiden anderen Werke von JASPER SLOAN YIP kenne ich nicht. Hier entwirft er ein gut nachvollziehbares Bild seiner Welt und seines Innenlebens, in interessanten, abwechslungsreichen Arrangements. Von leisen Passagen mit Streichern über eingängige Songstrukturen zu kräftigem Instrumenten-Einsatz. Manch ‚gestandener‘ Künstler aus der Pop-Sektion dürfte etwas neidisch auf den Ideen-Reichtum blicken, mit dem dieser Newcomer aufwartet. Und sehr passend dazu singen kann er auch noch!

Exzellent groovig, aber ein wenig aus der Zeit gefallen ist „Momentum“ das mit etwas Rückstand auch in BRD veröffentlichte Album von SOULPERSONA. Der ist kein Newcomer, sondern in, besonders in britischen, Soul-Kreisen seit langem tätiger Produzent und Re-Mixer. Mit einer ganzen Schar an GastsängerInnen, Musikern und natürlich digitalem Equipment wandert die Musik zwischen 90er Jahre Downbeats, Rare Groove und 80er Jahre Deep Soul. Klasse Songs, fett und rund produziert, aber ich fürchte, Menschen, die diesen Sound lieben, kaufen schon lange keine CDs mehr.

Schön, dass es Euch noch gibt!

Da bin ich mir bei der nächsten auch nicht sicher. Aber egal, Hauptsache sie machen weiter. LITTLE AXE legen mit „London Blues“ ihr bereits 8. Album vor. Das ist der Projektname von Skip McDonald, der auch bei diesem Anlauf von den üblichen Verdächtigen (Keith Leblanc, Doug Wimbish, Adrian Sherwood..) unterstützt wird und mit ihnen seinen Mix aus Blues und Dub, Roots und Karibik weiter verfeinert. Denke hier bei ‚Blues‘ nur niemand an die landauf landab tingelnden Saitenquäler, aber bei Dub gern an Echo Beach. Er will nicht als der geniale Gitarren-Spieler Furore machen, seine Message ist es, die Idee des Blues lebendig zu halten, sie mit den Sounds der Zeit zu verbinden, statt sie auf dem Altar der Tradition ausbluten zu lassen. Sowohl für Blues als auch für Reggae-Fans ein Leuchtturm.


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