Von Günter, 08.11.2017

ANJA SCHNEIDER/ BICEP/ YELENA ECKEMOFF QUINTET/ WE ARE AUST/ ALEX PUDDU/ FUNKALLISTO/ DUKE ROBILLARD

Neun Jahre nach ihrem Debüt legt ANJA SCHNEIDER ihre 2. CD/Platte vor. Neues, eigenes, Label, neue Inspiration, neuer Anlauf. „SoMe“ nennt sie das Album als Hinweis, dass zwar vieles neu ist auf diesem Werk, sie ihre Vergangenheit als DJ, ihre Roots, nicht verleugnet. In knapp 60 Minuten, verteilt auf 9 Titel, zeigt sie ihren Stand der Dinge. Der Rhythmus diktiert, uptempo House- und Techno-Tracks mit Kickdrum, ausgeschmückt mit raffinierten Sounds und Flächen, der markanteste, ‚Sanctuary‘, ausgeschmückt mit der Stimme der Stereo MCs.

Auf ebenfalls ausschliesslich programmierter Basis kommt BICEP daher. Erstling auf Ninjatune, da weiss m/f sofort wo es hingeht. Nicht so deutlich in Richtung House und Party, wie Anja, aber nicht ohne Club-Potenzial. Bicep greifen auch mal auf überliefert Breakbeats zurück, nehmen mit sphärischen Zwischenspielen Tempo heraus und überraschen mit gediegenen Downbeats und Tracks mit mehr als einem Grundton. Rhythmisch und sogar harmonisch variabel zeigt das Duo, wie Techno im 3. Jahrtausend auch klingen kann.

Sommer-/Winter-Jazz aus Finnland

Nach diesen beiden Aufregern jetzt was Lyrisches, fast Intimes. Das YELENA ECKEMOFF QUINTET illustriert auf der Doppel CD „Blooming tall Phlox“ seine Eindrücke oder Umsetzung von Sommer- bzw. Winter-Düften auf je einer CD. Die Rhythmusgruppe aus Drums und Bass bildet den dezenten aber tragenden Hintergrund auf den das Piano (spielt sie selbst), Vibrafon und (wieder ganz hervorragend) Verneri Pohjola auf der Trompete ihre Improvisationen zum gegebenen Thema auftragen. Sehr zurückhaltend, als müssten sie mit begrenzter Menge Töne auskommen, selbst wenn das Tempo mal etwas flotter wird. Beiden, sowohl der Sommer-Hitze, als auch dem Winter-Frost, gewinnen sie positive Harmonien und Stimmungen ab, den Herbst haben sie sicherheitshalber ausgespart.


WE ARE AUST nennt sich das Quartett mit Sängerin Olivia Gruschczyk. Das Album ohne Titel glänzt durch die Abwesenheit der üblichen Klischees der Marke Pop. Mit minimaler Band-Ausstattung finden die vier unkonventionelle Rhythmen, Harmonien, die m/f so nicht vorhersieht und Sounds, die von zerbrechlich bis Brachial auch ohne Vorwarnung wechseln. Gerade daraus erwächst über die gesamte Platte hinweg Spannung, die mit kleinen Breaks nicht unterbrochen, sondern nur ein wenig zurückgeschraubt wird. Erinnert mich in seiner kompromisslosen ‚ja das ist Pop-Musik, aber ohne Euren Charts-Kamm‘ an die frühen Werke von Björk.

ALEX PUDDU hat für sein neues Werk „From the Beginning“ den alten Haudegen Lonnie Jordan zu mehreren Tracks als Sänger überredet. Auch sonst hat er nicht gespart, insgesamt sind 13 Musiker an diesem Werk beteiligt. Fette Orgel, Bläser, eben alles, was m/f für eine gelungene Oldschool Soul-/Funk-Platte braucht. 10 neue Tracks, 6 davon mit Gesang, die sich im Umfeld von ‚Shaft‘ oder ‚What’s going on‘ bewegen und handwerklich keine Wünsche offen lassen.

Funk und Afro aus Italien

Noch viel mehr Dampf haben FUNKALLISTO in ihrem Kessel. „Saturday Night Dogs“ ist bereits deren 5. Platte, aber die erste, die mir in die Hände fällt. Besetzung etwa so umfangreich, wie die Brooklyn Funk Essentials, und auch vom Sound nicht weit davon. Flotte funky Grooves im ‚nach James Brown Freistil‘, Tracks, die an alte italienische Gangsterfilme erinnern und ein grosse Portion Afro-Beat, mit Quietsche-Orgel, feisten Bläsern und allem. Dabei viel abwechslungsreicher, als diese wenigen Worte vermuten lassen.


Swingender Blues aus USA

Meistgehört in dieser Woche, und das nicht nur wegen des grandiosen Gitarrenspiels von DUKE ROBILLARD, ist „And his Dames of Rhythm“, sein neues Album mit persönlichen Favoriten aus dem Great American Songbook. Auf dreien singt er selbst, 1 Instrumental featured den hervorragenden ‚Old Time‘ Trompeter Jon Erik Kellso. Die anderen 11 singen 6 verschiedene Kolleginnen, Sunny Crownover, Kelley Hunt, Elizabeth McGovern, Catherine Russell, Maria Muldaur und Madeleine Peyroux. Und diese ‚Dames of Rhythm‘ setzen den exzellenten (Bläser-) Arrangements das Sahnehäubchen auf. Swingend, wie in den 20er/30ern, mit einer durchscheinenden Spur Blues. Ganz fein!


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