Von Günter, 13.12.2017

SLOW LEAVES/ HELLO SKINNY/ BUTCHER BROWN/ GILI YALO/ BKO/ ROBERT FINLEY

Die SLOW LEAVES sind keine richtige Band. Sie sind das Projekt von Grant Davidson, der für das 2. Album einige seiner Freunde aus anderen kanadischen Bands ins Studio holte um mit ihnen „Enough about me“ einzuspielen. 10 sehr persönliche Reflektionen, gekleidet in kleine, sehr gelungene Melodien, die mit schmaler Bandbesetzung ganz und gar authentisch in Szene gesetzt sind. Meist langsam, melancholisch, mal von Violine untermalt, mal mit schönem Harmonie-Gesang, folgen die Songs, wie Perlen auf einer Kette. Ob Drama, das Gefühl von Verlust, er hat immer auch den positiven Moment im Auge, selbst der traurige Song trägt noch eine Spur Optimismus in sich.

Clubmusik für übermorgen

Mit einer durchaus etwas verrückten Idee kommen HELLO SKINNY auf ihrem „Watermelon Sun“ um die Ecke. Sie spielen House-Music in bester Chicago-/Garage-Manier. Verrückt deshalb, weil sie nicht auf Computer-Programme, Soundfiles oder digitale Keyboards zurückgreifen, sondern die Musik komplett per Hand und Mund erzeugen. Lässige, eher freie Jams, denen auch mal ein ungerader Beat zugrunde liegt, werden vom zurückhaltend eingesetzten Keyboard und besonders den beiden Bläsern (Posaune & Sax) aufgegriffen und garniert. Sowohl einzeln, als auch im Satz, wobei der Drummer den Beat seziert und neu zusammensetzt, aber den Flow nie aus den Augen verliert. Clubmusik auf der Basis von gestern für den Tanz von übermorgen.


Nach den ersten Klängen von BUTCHER BROWN’s „Live at Vagabond“ zogen sie alle an meinem geistigen Auge vorbei, das Mahavishnu Orchestra, Return To Forever, Stanley Clarke, Billy Cobham…. Diese Combo spielt zu fünft Rock-Jazz, als wäre der jetzt auf der Höhe seiner Zeit. Jüngere Leser werden mit den langen Tracks, den teils wild unterbrochenen Rhythmen und den entsprechenden Instrumental-Passagen vielleicht nicht so viel anfangen können. Wer auf gut verzahntes Zusammenspiel in komplexem musikalischen Zusammenhang steht, sollte sich diese frische Brise eines ‚alten‘ Metiers nicht entgehen lassen, zumal sie Live gespielt wird, ohne doppelten Boden!

Inspirierter Pop aus Äthiopien

Eine ganz andere Variante, aber durchaus mit Mustern aus Jazz durchsetzt bietet GILI YALO auf seinem Album ohne Titel. Er stammt aus Äthiopien, lebt und musiziert in Israel und bewegt sich auf den Spuren vom Mulatu Astatke und der Musik Ostafrikas. Afrikanische Rhythmus-Instrumente, europäische Drums, in seiner Heimatsprache und in Englisch gesungen, traditionelle Bläsersätze und moderne Produktionsmethoden. Eine sehr eigene und eingängige Mischung aus der Musik seiner Heimat und dem Einfluss westlicher Pop-Musik. Faszinierende Melodien und ein unwiderstehlicher Flow kennzeichnen die 10 Tracks seines ersten Solo-Ausflugs.


Ebenfalls Tradition und Moderne verbinden BKO auf ihrem „Mali Foli Coura“. Elektrische Gitarre und heimische Laute, Hand-Perkussion und Hybrid-Drums, überlieferter Gesangs-Stil und aus der Welt importierte Sounds mischen sich zu einer Musik zwischen Rock und Trance auf afrikanischer Basis. Da ist der Titel ‘neue Musik aus Mali‘ nicht übertrieben.

Spät entdeckt!

Zum Finale etwas im besten Sinne Konservatives. ROBERT FINLEY’s 2. Album. „Goin Platinum“ als Titel ist sicher ein Wunsch, aber das Potential für einen übergreifenden Erfolg ist da. Hervorragende Songschreiber, ein Produzent mit Namen (Dan Auerbach) und eine absolut abgeklärte Band. Das i-Tüpfelchen jedoch ist der Sänger. Jetzt, am Anfang seiner Karriere, bereits über 60 Jahre alt, wohl deshalb mit allen Formen und Nuancen des Singens von Rhythm and Blues vertraut. Flotter Rocker, sanfte Ballade, Soul-Schleicher, er findet den richtigen Ton und die überzeugende Geste. Definitiv kein neuer Ton auf der ganzen Platte, dafür aber jeder an der unbedingt richtigen Stelle!


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Günter Günter

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