Von Günter, 23.05.2018

TICKET TO HAPPINESS/ MATTHEW BARBER/ EMIL BRANDQVIST TRIO/ STEFAN GRASSE/ NICKODEMUS/ JESS WILLIAMSON/ PLAYING FOR CHANGE

Irish Folk und mehr, aus MS!

Habe ich schon häufig geschrieben, eine World Music Sektion FINDET m/f in den meisten Läden nicht mehr. Dabei gibt es für das irisch / britische Fach eine sehr frisch und unverbraucht klingende Neuheit. TICKET TO HAPPINESS nennen sich die vier, kommen hier aus Münster und pusten uns eine gekonnte Brise aus akustisch erzeugtem Sound um die Ohren. Zu viert, mit Banjo, Mandoline, Violine, Cajon, Kontrabass und Gitarre, lassen sie in den 12 selbst erfundenen Titeln ihrer Lebensfreude freien Lauf. Melodien, die auf den ersten Blick durchaus aus den oben erwähnten Ländern stammen könnten, das liegt sicher an der gewählten Instrumentierung. Temporeich, handwerklich gut austrainiert, textlich nicht anbiedernd. In den Balladen kommt die feine Balance zwischen Stimme(n) und der musikalischen Begleitung erst richtig zur Geltung. Eine Hommage an Shane MacGowan von den geliebten Pogues darf da natürlich nicht fehlen. Die CD „All Aboard“ gibt es nur in den beiden verbliebenen Fachgeschäften (im Keller oder um die Ecke) dieser Stadt oder über die Band direkt. (www.ticket2happiness.de)


MATTHEW BARBER orientiert sich auch an der Tradition, aber einer ganz anderen. Sein „Phase oft he Moon“ lebt ganz klar in den Spuren der grossen amerikanischen Songwriter und Sänger, wie Randy Newman oder Jackson Browne. Mit Band-Begleitung, jedoch ohne Rock-orientierte Momente. Gekonnte Arrangements für abwechslungsreich gestrickte Songs, Texte aus dem eigenen Erfahrungsbereich, in der Grundstimmung eher melancholisch, sentimental, aber sehr schön, sehr ‚erwachsen‘.

Das ist schon ungewöhnlich, der Schlagzeuger ist der Namensgeber, aber Stimmung und Tonfall dominiert der Pianist. Nicht ohne Grund. Tuomas Turunen, der Mann am Klavier im EMIL BRANDQVIST TRIO, brilliert mit gefühlvollen, präzise ausgearbeiteten Melodielinien, gibt, wenn erforderlich, dem Rhythmus Bindung und braucht dafür erstaunlich wenige Töne. Der Chef an den Trommeln und der Kontrabass drängen nicht nach vorn, umspielen und untermalen die harmonischen Ausflüge und machen damit „Within a Dream“ zu einem der entspanntesten Jazz Trio Alben der letzten Zeit. Und die Jazz Polizei protestiert nicht einmal!

Dezente Klasse

Etwas weniger Jazz, auch wenn die Besetzung mit Gitarre, Klarinette, Vibraphon, Bass und Perkussion es erwarten lässt, verarbeitet STEFAN GRASSE auf seinem aktuellen Album „Entre el Cielo yTierra“. Der Titel deutet es an, spanische Einflüsse, dazu ebensolche aus dem Mediterranen bis nach Brasilien. In erstklassiger handwerklicher Ausführung liefern diese 5 Akustiker eine sehr ausgewogene Mischung aus eigenem Material und Anleihen aus Klassik und Jazz. Barmusik zu sagen, wäre gemein, dieses Ensemble spielt nicht irgendwas schön Klingendes, sondern stimmt sein Zusammenwirken zu einem kleinen, harmonischen Gesamtkunstwerk ab. Bestens als letzte Musik des Tages oder an viel zu warmen Tagen geeignet.


Meister des World Beat

Wenn dann diese warmen Tage in laue Abende übergehen, dann kommt NICKODEMUS zum Einsatz. Mit „A long Engagement“ nach nur 2 eigenen Alben in mindestens 15 Jahren, dazu aber diversen Produktions- und Partyhilfen hat er jedoch zweifelsfrei bewiesen, dass er zu den Meistern des Worldbeat gehört. Da ist alles drin, Afrika, Arabien, Lateinamerika, House, Garage, Techno, Hip Hop und diverses Anderes. ‚Echt‘ gespielt, gesampelt und zu einem organischen Ganzen verarbeitet. Wenn es bei ihm rapt, dann eher nach Sugarhill, als nach Eminem, und wenn er ‚4 to the Floor‘ hinlegt ist immer noch ein rhythmischer Haken dabei. Sicher ein Grund für diese passende Mischung sind die vielen individuellen Gäste. Und einen ‚Slow Burner‘ für die nächste Milchbar hat er auch noch drauf.


Ganz kurz gehört: JESS WILLIAMSON, näher an Mazzy Star geht nur, wenn man sie kopiert. Tolle Stimme, tolle Stücke.

Und PLAYING FOR CHANGE, ein multilaterales Projekt mit 210 Musikern (nicht alle gleichzeitig!) aus 25 Ländern, die in unterschiedlichsten Besetzungen 12 mehr oder weniger bekannte Tracks aus dem Bereich Pop bis World Music neu intonieren und den Erlös für einen Hilfsfond zur musikalischen Ausbildung von Kindern in aller Welt spenden. Tut gut und klingt gut!

Archivtexte Ohrenschmauch

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