Von Günter, 15.08.2018

PAUL RODGERS/ MARUJA LIMON/ WILLIE NILE/ A TRIBUTE TO JOHN DUFFEY/ MATT EPP/ SAXOPHONES

Sich immer wieder neu zu erfinden ist auch für Musiker keine einfache Sache. PAUL RODGERS ist da nicht der erste, der Jahrzehnte später seine frühen Erfolge mit neuer Band noch einmal durchlebt. Mit drei Mitstreitern in der Band FREE war er um die 60/70er Jahreswende schon auf einem Höhepunkt seiner Karriere. Mit seiner um Keyboards erweiterten aktuellen Combo spielt er seine Favoriten aus dem frühen Schaffen live neu ein. Und erfindet das Rad nicht neu. Die Auswahl der Songs ist gelungen, wechselt zwischen den Blues getränkten Schwerblütern, bekannten Riffs und Balladen. Der raue Charme von früher ist getauscht gegen lange trainiertes Handwerk, das jugendliche Ungestüm gegen den konzentrierten Ausdruck reiferer Jahre. Und trotzdem (gerade deshalb?) ein erfreuliches Wiederhören.

Flamenco meets Pop

Kleine Geschichten aus ihrem spanischen Alltag tragen die 5 Frauen von MARUJA LIMON vor. 2 von ihnen singen, jeweils eine spielt Gitarre, Perkussion und Trompete. So ungewöhnlich wie die Besetzung ist auch der Musik-Mix. Natürlich viel Flamenco in verschiedensten Variationen, Einflüsse von Kuba bis Brasilien und ganz viel Pop. Mit genau so viel Schwung wie Sentiment ganz authentisch in Szene gesetzt mal eine ganz anders klingende Version von Mestizo Pop.


Wer sich eine Mischung aus Joe Strummer und Bruce Springsteen vorstellen kann mit allerdings deutlicherem Ausschlag zum Erstgenannten, sollte unbedingt das neue Werk von WILLIE NILE hören. Vermutlich auf Wunsch des Labels klingt die Musik gelegentlich etwas nach Mainstream, was er allerdings durch seine Texte untergräbt. Haltung ist nach wie vor Punk, nicht anpassen und Missstände auch als solche benennen. Das hat schon mal Wucht und Gestus der Clash, und diesem Vergleich hält seine Band auch Stand. Die „Children of Paradise“ kann m/f sich auf dem Cover ansehen…

Natürlich wieder mit fast 40 Seiten informativem Booklet: „Epilogue“, das Tribut Album für JOHN DUFFEY, den Erfinder der modernen Bluegrass Music. Das gibt es so nur bei Smithsonian Folkways. Nun ist diese Musik, deren Ursprung in den Appalachen liegt, hier in der norddeutschen Tiefebene nicht vergleichbar populär, aber die Wenigen, die eine Vorliebe für diese Musik entdeckt haben, finden auf dieser CD Musik von exzellenten Instrumentalisten auf Kontra-Bässen, Gitarren, Banjos und Mandolinen, ungekünstelten, oft mehrstimmigen Gesang, mit Inbrunst und Überzeugung vorgetragen.

Mit klasse Band

Einen mehr als hörenswerten Beitrag zum weit gefassten Genre Americana liefert MATT EPP mit seinem „Shadowlands“. Er schreibt vielseitige, griffige Songs, die sich zwischen den Polen Ryan Adams und Neil Young bewegen, hat für dieses Werk eine erstklassige Band gefunden, die Stimmungen und Tempi beherrscht, mit überraschenden Instrumental-Soli aufwartet und damit den typischen Singer / Songwriter mit Band Sound in ungewohnte Sphären transferiert. Höre z.B.‚North Country‘.


Minimalistisch

In der Kürze liegt die Würze sagen sich die SAXOPHONES und sind nach 10 Titeln und LP freundlichen knapp 30 Minuten mit ihren „Songs of the Saxophones“ bereits fertig. Mehr gibt es da nicht zu bemängeln. Kleine Songs, mit ganz wenig Instrumentarium ausgestattet und mit viel Herz vorgetragen. Einer spielt Gitarre, Flöte, Saxophon, Synthi und singt, sie bedient Trommeln, singt ebenfalls und der dritte im Bunde zupft den Bass, singt und spielt Vibraphon. Aber alle von allem wenig! Mit weniger Mitteln mehr Spannung zu erzeugen ist fast nicht möglich. Als Vergleich bieten sich frühe Songs der Tindersticks an oder die langsamsten Titel von Richard Hawley. Melancholisch, ein wenig verzweifelt, jedoch nie depressiv. Wundervoll als letzter Klang des Tages.


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Günter Günter

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