Von Günter, 17.07.2019

TRISTAN DRIESSENS/ BUDDY BOLDEN SOUNDTRACK/ NOISESHAPER/ RICHARD REED PARRY/ JAKE XERXES FUSSEL/ MARTIN TINGVALL

Wanderer zwischen den Welten

Selbst wenn sie eigentlich gar nicht existiert und der Begriff World Music nur ein Marketing-Instrument ist, es gibt CDs, deren Inhalt m/f einfach nicht anders beschreiben kann. Der belgische Folk-Freak und Oud Spieler TRISTAN DRIESSENS hat für seine „A Folk Dancer’s Journey“ 15 Musiker aus fast genauso viel Ländern mit ihren spezifischen Instrumenten um sich versammelt. Viele davon aus dem orientalischen Raum, die gemeinsam mit den Westeuropäern eine wirklich ungewöhnliche Mischung aus traditionellen Themen und Klängen mit höfischen Tänzen der Vergangenheit, Momenten aus der klassischen Musik, orientalischen Tonfolgen, osteuropäischen Melodien und Ideen aus keltischer und nordischer Folklore kreieren. Liest sich etwas verwirrend, klingt jedoch unglaublich harmonisch, wohlarrangiert und homogen.


Der ‚Erfinder‘ des Jazz

Ihn den ‚Erfinder‘ des Jazz zu nennen, wäre nicht ganz falsch. Obwohl er nur wenige Titel komponiert hat und es nicht einmal existierende Tonaufnahmen von ihm gibt. Die Rede ist vom Trompeter BUDDY BOLDEN, für den Film über dessen Leben hat WYNTON MARSALIS einen Teil der Songs, die jener Buddy spielte in authentischen Arrangements eingespielt, einige Titel dazu komponiert und das Ganze in Besetzungen, wie sie die Combos des jungen 20. Jahrhunderts aufstellten, neu aufgenommen. Kann m/f abtun als alten New Orleans Kram oder noch schlimmer, Dixieland, das wird dieser ungeheuer kreativen, lebendigen und die Freiheit (des musikalischen Ausdrucks) feiernden Musik nicht gerecht. Die Musik ist purer Genuss, über die Bilder dazu (den Film) kann ich noch nichts sagen.


Zack, 100 Jahre weiter erfreuen uns NOISESHAPER mit ihrem Beitrag zu Echo Beach’s King Size Dub Reihe. Motive und Rhythmen aus der Reggae-Kiste in ihrem ‚Trademark‘ Sound mit fettem elektronischen Bass und dem zu „King Size Dub Special“ passenden Hall und Echo. Ob mit sehr original klingendem ‚Toaster‘ hinter dem Sound oder als Drum’n’Bass in fast Zeitlupe. Wenn es gerade zu sehr Laidback wird, folgt direkt ein kräftiger Downbeat. Gut gemischte Beats und Grooves, keine Gimmicks nur ein gut gesteuerter Fluss von Sound und Rhythmus.

Echte Musiker müssen Solo-Projekte machen. Auch RICHARD REED PARRY, der gewöhnlich sein Geld bei Arcade Fire verdient. „Quiet River of Dust Vol. 2“ ist, wie der Titel verrät, bereits sein zweiter Anlauf für dieses Thema. Beginnt wie ein Enkel von Tangerine Dream, steigert sich zu elektronisch begleiteten Songs, es folgen forsche Klänge mit lauten Drums um dann wieder auf spärlich begleiteten Gesang zurück zu kommen. Ist in sich stimmig und wohl ausgedacht, allein mir fehlt der Zugang. Kann er das bei seinen Kollegen nicht durchsetzen?

Ganz und gar klar verständliche Songs mit lebensnahen Texten und Wohlfühl-Harmonien bietet JAKE XERXES FUSSELL auf seinem „Out of Sight“. Erstklassiges Songwriting in der amerikanischen Tradition mit einem gut verträglichen Schuss traditionellem Country Feeling. Kein Wunder, hat er das Material doch über Jahre aufgesammelt, wo er es finden konnte. Mit korrekt besetzter Combo sehr entspannt aufs Band gebracht. Es braucht keinen aufgeblasenen intellektuellen Überbau für eine durchweg gelungene Platte.

Den Alleingang geniessen!

Zum Schluss ein Tipp für die letzte Musik des Tages. MARTIN TINGVALLs 3. Piano solo Album ist eine beinahe romantische Reise durch sein Musik-Universum. Klassisches Training, jazzige Improvisation und hin und wieder durchscheinende Momente aus der nordischen Folk-Tradition. Entspannt und ruhig dahin fliessend mit wiederkehrenden Melodien und harmonischen Tonfolgen. Alles Unnötige ausschalten, den Tag abstreifen und mit Martins „The Rocket“ die irdische Atmosphäre verlassen.


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Günter Günter

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