Von Günter, 31.07.2019

SUNNY SIDE UP/ BONES UK/ PATRICE RUSHEN/ KEB MO/ LLOYD COLE

Melbourne Underground?!

„SUNNY SIDE UP“ ist nicht mein Kommentar zur momentanen Wetterlage. Gilles Peterson und sein/das Label Brownswood setzen ihre Untersuchungen fort. Im letzten Jahr gab es von ihnen einen kleinen Einblick in die Londoner „Jazz-oder-so-was-ähnliches“ Szene mit Künstlern und Projekten die bis dato zumindest keinen eigenen physischen Tonträger auf dem Markt hatten. Dieser neue Anlauf widmet sich einer vergleichbaren Szene ‚Down Under‘, präzise Melbourne. Auch hier ist der grössere Teil der MusikerInnen in der Welt noch nicht wirklich populär. Musikalisch wird ein breites Spektrum präsentiert, von Spiritual Jazz über Rhythmisches aus Funk und Afro und sogar beinahe Pop. Handwerklich mindestens ordentlich und allein schon deshalb spannend zu hören, weil keiner der teilnehmenden Acts sich durch bereits erzielte Erfolge an eigene oder kommerzielle Vorgaben halten muss.


Ähnlich unkonventionell aber auf einem ganz anderen Acker sind BONES UK unterwegs. ‚Beautiful is boring‘, den Titel des Eröffnungs-Songs, wenden sie auch gezielt auf Instrumentierung und Sound an. Wenn s gerade mal ein wenig gebremst durch einen Chorus geht, folgt unmittelbar die kräftige Gitarre, erinnert mich in Phasen an den guten Iggy. Das Trio aus 2 Frauen und 1 Mann schliddert über die gesamte CD an spätem Punk mit durchaus Pop-Appeal entlang und schildert in fast allen Texten, was ihnen am aktuellen Zustand der Welt nicht passt. Programmierte Drums und bratende Gitarren für das laufende Jahrzent.

Wer erinnert sich?

Sehr viel braver und dem Sound der Zeit angepasst klang und klingt die Musik von PATRICE RUSHEN. Als ausgebildete Pianistin im Musik-Business in L.A. geschätzt, gelangen ihr ab etwa Ende der 70er einige auch heute noch gern gehörte (Disco)-Ohrwürmer. Mit flüssigen Harmonien, funky Bandarbeit und ihrer auffälligen Stimme füllte sie einige Jahre lang die Tanzböden der Welt. Für jüngere LeserInnen, Ihr ‚Forget me nots‘ ist die Vorlage für den Titelsong des 1. Men in Black Films. Eine schöne Geste des Strut Labels, mit „Remind me- The classic Elektra Recordings“ 15 charakteristische Songs aus ihrem umfangreichen Schaffen für diese Kompilation zusammen zu stellen.


Dass diese Aussage ganz korrekt ist, behaupte ich nicht, aber, neues Jahr, neue Platte könnte für KEB MO zutreffen. Das ist nicht despektierlich gemeint, der Mann ist einfach fleissig. Auf „Oklahoma“ war ich sehr gespannt, hat mich dieser Sound (J.J. Cale etc) den grössten Teil meines Lebens fasziniert. Keb fehlt zunächst etwas die Entspanntheit des gerade genannten, dafür kommt er in den eindeutigeren Bluse-Nummern umso überzeugender herüber. Im Lauf der Platte kriegt er dann aber doch die Kurve, diesen spezifischen, bei aller Melancholie optimistischen Ton in Sound und Gesang besser zu treffen, sicher unter Mithilfe von Taj Mahal, der ja mittlerweile die Tiefen-Entspanntheit in Person ist.

Jetzt neu mit Falten!

Überschäumenden Fleiss kannm/f diesem Herrn nicht nachsagen, und jedes Jahr eine Platte schon gar nicht. Umso mehr freue ich mich über die neue CD/LP von LLOYD COLE. Ja, genau der, der in den 80ern mit seinen Commotions die Popwelt aufrollte. Von denen sind zumindest zwei auch auf „Guesswork“ dabei. An den Sound musste ich mich etwas gewöhnen, programmierte Drums und weitere Elektronics werden aber gekonnt umspielt von Gitarren und natürlich Lloyds Gesang. Die Stimme klingt verführerisch wie eh und je und auch nach langer Schaffenspause sind für ihn wohlklingende Harmonien und Melodien mit Wiedererkennungswert kein Problem.


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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