Von Günter, 27.11.2019

ROBERTO FONSECA/ ANGEL OLSEN/ LANKUM/ PAT THOMAS/ LONDON AFROBEAT COLLECTIVE/ DOMINIQUE HORWITZ

Eine extrem breit gefächerte Variante kubanischer Musik liefert der Pianist ROBERTO FONSECA mit seinem bereits 9. Album „Yesun“. Das reicht von ur-kubanischen Rhythmen über Funk und Jazz zu klassischen Klängen. Er lässt singen, rapt selbst, verbindet die heimischen Rhythmen mit Reggaeton, Hip Hop und Elektronika. Das klingt auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig, zeigt aber deutlich sein handwerkliches Können, mit dem er die unterschiedlichsten musikalischen Einflüsse seines Lebens in einen gemeinsamen und kreativen Fluss bringt.

Mit wuchtigen Streichern

An ihr gefeiertes Vorgängeralbum habe ich keine Erinnerung. Die aktuelle CD von ANGEL OLSEN blüht auf jeden Fall mit jedem Track weiter auf. Mit heller, kräftiger Stimme führt sie durch teils wuchtiges Beats, umgibt sich mit mächtigen Streichern, konventionell oder elektronisch, und befördert sich und die Musik von Drama zu Melancholie. Auf „All Mirrors“ reicht das Spektrum von nahe an der persönlichen Katastrophe bis zur mystischen Verschwommenheit von Twin Peaks. Nix fürs nebenbei Hören.


Mit ‚Irish Folk‘ habe ich seit langem nicht mehr viel im Sinn. Es sei denn, es wird daraus etwas Weitergehendes, Übergreifendes (z.B. Pogues…) geschaffen. In dieser Beziehung laufen LANKUM bei mir offene Türen ein. Sie verzichten nicht auf das traditionelle Instrumentarium oder typische Harmonien, aber sie bringen auch elektrifizierte Instrumente ein, bieten neben eingängigen Songs, die durchaus der Inselgeschichte entstammen könnten jedoch auch eine ordentliche Portion zeitgemässer rockender bis psychedelischer Songkonstruktionen ab. Dieser Mix verschiedener Stimmungen und Ansätze von langsam und fast abstrakt über ausgesprochen harmonisch macht ihre Version von ‚Sounds from Ireland‘ auf „The livelong Day“ ziemlich einzigartig und besonders.

Relaxte Afro-Rhythmen

Es ist aber auch immer wieder schön zu hören, dass jemand sich ganz bewusst in der Tradition bewegt und diese durch seine individuellen Qualitäten im aktuellen Zeitgeschehen positioniert. Der 72 jährige Gesangs-Altmeister PAT THOMAS legt mit seiner KWASHIBU AREA BAND nach 2015 jetzt ein neues Werk vor. Highlife Musik aus Ghana, leichtfüssig, melodisch und total unmodern modern. Keine technischen Tricks, einfach eine gut eingespielte Band mit Bläsern, Perkussions-Abteilung und dem unbedingt dazu gehörenden quietschigen Orgelsound. Rhythmisch vielseitig, versiert an den Instrumenten und immer wieder auch mal ein Groove der nicht unbedingt in Ghana beheimatet ist. „Obiaa!“ hilft nicht nur gut durch den November Nebel.


Bei der nächsten ist der Name ganz klar Programm. Das LONDON AFROBEAT COLLECTIVE kann m/f sicher als Erben von Fela Kuti betrachten. In 8 durchaus langen Variationen zeigt es nicht nur musikalisch und handwerklich seine austrainierten Fähigkeiten, auch textlich sind sie von Felas Aussagen und Haltung nicht weit entfernt. Optimisten sind sie trotzdem, sind doch auf der CD „Humans“ von 6 der 8 Titel noch mal extra gekürzte Radio-Versionen enthalten. Als würde irgendein mir bekannter Sender diese Musik spielen. Es sei denn nachts, und dann spielt die Spieldauer eigentlich keine Rolle….

Grossartiger Erzähler

Auf dieser CD wird gar nicht gesungen. DOMINIQUE HORWITZ liest auf „Liebe und andere Unglücksfälle“ Novellen des russischen Literatur-Nobelpreis Trägers Iwan Bunin und wird dabei unterstützt vom Jourist Quartett, das mit seinen Kompositionen die zu ihrer Zeit (entstanden in der 1. Hälfte des vorigen Jahrhunderts) sicher als gewagt einzuschätzenden Texte mit viel russischer Seele und sicherem Gefühl unter- und ummalt. Wie oft m/f ein solches musikalisches Hörbuch hören kann, will ich nicht voraussagen, aber mit dem so versierten Sprecher, werden selbst objektiv simple Orts-Beschreibungen zu einer zu einer faszinierenden Hör-Erfahrung.


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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