Von Günter, 15.01.2020

AMIRA MEDUNJANIN & TRONDHEIM SOLISTENE/ KETIL BJÖRNSTAD/ ANNE MÜLLER/ BALLAKE & BABA SISSOKO/ KOSCHITZKI PEREIRA

Wunderbare Abendmusik

Fangen wir es heute mal ein wenig klassisch an. AMIRA MEDUNJANIN singt mit klassischer Gesangsausbildung ausgesuchte traditionelle Volksmusik ihrer Heimat (Bosnien-Herzegowina) und wird dabei begleitet von einem Streichquartett plus Piano, genannt TRONDHEIM SOLISTENE. „Ascending“ ist der Titel der CD, entsprechend sind die Arrangements. Kein Schunkeln, kein Pop, ganz langsam entfalten sich die Melodien, umspielen ihren wohltrainierten Gesangsvortrag dezent zurückhaltend und schaffen damit eine himmelwärts aufsteigende Andacht. Wunderbare Abendmusik.


„The World I used to know“, die (musikalische Welt), wie ich sie kannte, ist Titel der neuen CD von KETIL BJÖRNSTAD . Praktisch in einem Zug live aufgenommen in den Abbey Road Studios, zeigt sie ihn als inspirierten Komponisten und Pianisten, gleichzeitig die Musik anderer Menschen, die ihn bewegt, geschult und beeindruckt haben. Von Rod McKuen über Chopin und Schubert, von Mozart über Bacharach zu Keith Jarrett. Damit sind noch nicht einmal alle Namen ‚gedropt‘. Piano Solo in Passion, in ausgeruhter Ausführung über 20 Titel, einer Auswahl, wie sie wohl nur jemand schafft, der sein Leben mit und für die Musik gelebt hat.

Experiment im Alleingang

„Heliopause“ ist der Bereich, in dem der Sonnenwind nicht mehr wirkt, quasi die Aussengrenze unseres Sonnensystems. Dieser Ausdruck bezeichnet den Inhalt von ANNE MÜLLER’s 1. Solo-CD sehr treffend. Ihren Namen kann m/f aus dem Zusammenhang Nils Frahm, Olafur Arnalds oder Agnes Obel kennen. Nach langer Zeit als Cellistin in grossen Orchestern geht sie seit einigen Jahren ganz andere Wege. Ihr aktuelles, ganz im Alleingang gestaltetes Werk ist entsprechend keine ‚das kann ich alles‘ Demo sondern eher ein durchkomponiertes Experiment. Die Klänge reichen von manipulierten Klavier-Saiten und elektronischen Loops zu orchestriertem Cello und beinahe romantischen Piano-Melodien. Alles in Reichweite des modernen Minimalismus á la Reich und Glass. Extra raffiniert, aber nix für jeden Tag.


Vom Rand des Sonnensystems zurück in die (bisher noch) Wiege der Menschheit. BALLAKE SISSOKO & BABA SISSOKO behandeln in 12 meist längeren Titeln Themen wie Freundschaft, Vertrauen, Respekt und Tradition. Mit Kora und Ngoni plus gelegentlich Handtrommel oder Gesang improvisieren sie (mehr oder weniger) gemeinsam und finden fürs Ohr einprägsame Themen, Melodien die sowohl überliefert als auch gerade erst erfunden sein könnten. Bei genauerem Hinhören belegt „Sissoko & Sissoko“ nebenbei die These, dass der Blues aus Westafrika stammt. Phrasierung, Riffs, Tonfolgen wie m/f sie nicht nur auf frühen Country-Blues Platten findet.

Bossa und mehr

Eine ganz andere Variante dieses Themas präsentieren KOSCHITZKI PEREIRA auf ihrem „Brasilian Blues“. In der Zwischenzeit zum Quartett angewachsen (Live sogar Sextett) ist ihr Blues die melancholische Komponente, die sich in fast jedem Bossa findet. Weit weg vom Purismus bringen sie auf dieser CD ihr Brasil-Feeling, funkig-poppige Grooves und ihre Liebe zum Jazz in eine harmonische Verbindung. Versiert an ihren Instrumenten, Sax und Gitarre, Bass und Drums plus Perkussion und authentisch geführt vom muttersprachlichen Gesang zeigen sie, wie zeitlos modern Bossa Nova klingen kann.


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