Von Günter, 15.04.2020

STEFANO BOLLANI/ IZO FITZROY/ 5K HD/ BORN RUFFIANS/ AMIR JOHN HADDAD/ SUNNY JAIN

Hommage an Andalusien

Der aktuelle Anlass ist zwar gerade vorbei, aber für diese hier sollte sich unbedingt eine freie Stunde finden lassen. Der italienische Pianist STEFANO BOLLANI interpretiert die für Rockband, Orchester und Chor komponierten Titel des Musicals auf seiner „Piano Variations on Jesus Christ Superstar“ im Alleingang am Piano. Was auf den ersten Blick unmöglich erscheint, erschliesst sich schon nach wenigen Tönen als folgerichtig und spannend. Den Bombast der Originale ersetzt er durch seine inspirierte Auffassung der Themen und führt die Hörer, quasi nebenbei, durch 100 Jahre Jazz auf seinen 88 Tasten. Die Melodien sind erkennbar immer vorhanden, er spielt sie nach seiner Auffassung, improvisiert Passagen, die jedoch den Charakter nicht verändern, selbst wenn er Ragtime oder Stride-Piano Momente aufblitzen lässt. Bop, Swing, ja selbst Tonfolgen, die einem klassischen Werk entnommen sein könnten, baut er in seinen virtuosen Fluss ein. Dabei tritt seine Handwerkskunst immer zurück hinter die gefundenen Tonfolgen und Melodien. Einfach grossartig, anders kann ich es nicht sagen.


Wie schon auf ihrem Erstling von 2018 sind es die eher langsamen Titel, die mich auf IZO FITZROY’s „How the mighty fall“ begeistern. Bei denen trägt die Mischung aus Blues, Soul und Gospel am besten. Sie schreibt die Songs selbst, wohl deshalb klingen die Titel, in denen sie mit ihrer markanten Stimme jonglieren kann so überzeugend. Diese handgemachte Soul-Musik wird zwar nie den Äther beherrschen, es ist mir aber immer ein Vergnügen, sie dem kleinen, interessierten Publikum vorzustellen.

Österreich mal ohne Schmäh!

Diese hier ist bereits aus 2017, erst auf Umwegen zu mir kommen. 5K HD nennen sich die 4 Instrumentalisten plus Sängerin. Mit Drums, Bass, Keyboard und Trompete erschafft die Combo auf „And to in A“ einen Sound, der gelegentlich an experimentellere Momente von Massive Attack erinnert, dabei jedoch auch stark auf jazzige, freiere Arrangements baut. Mal elfensanft oder auch als Pop-Stimme setzt die Sängerin die Duftmarke, mit geschickt gestaffelten Tonschichten und verfremdeten Instrumentenklängen schafft die Band gekonnt den Spagat zwischen sensibel melodiösen Miniaturen und Rock-mässig wüst aufgebauten Kaskaden. Es gibt bereits ein Nachfolge-Album, das ist aber noch nicht bei mir angekommen.


Die BORN RUFFIANS bedienen sich geschickt aus Zutaten der Vergangenheit, erschaffen damit eine ganz zeitgemässe Variante Punk-Rock. Seit 15 Jahren ist das Trio aus Bass, Drums und Gitarre im Einsatz. Mit einfachen Mitteln, einem gut trainierten Gefühl für eingängige Melodien und einer Abgeklärtheit, die an Green Day erinnert bringen sie ihre nicht gefilterte Sozial-Kritik auf „ Juice“ nach neun Titeln ins Ziel.

Hommage an Andalusien

„Andalucia“, seine Hommage an die spanische Provinz gestaltet der Flamenco-Spezialist AMIR JOHN HADDAD (El Amir) keineswegs streng traditionell. Auf den 10 selbst geschriebenen Kompositionen lässt er ausser seiner speziell angefertigten Gitarre auch Oud und Bouzouki erklingen. Mit ein paar einzeln auftretenden Gästen, meist Perkussionisten, bewegt er sich auf einem auch für nicht Spanier gut hörbaren Mittelweg zwischen der Pop-Variante eines Otmar Liebert und der jazzigen Auffassung eines Paco de Lucia.


Und noch was sehr Spezielles, SUNNY JAIN und sein „Wild Wild East“. Der in USA geborene Sohn asiatischer Einwanderer arbeitet sich meist heftig rockend durch das von ihm geschaffene Programm, bestehend aus Klängen und Melodien seiner Heimat, psychedelischem Rock, Surf Gitarren-Sounds, heftigen Bläsern und jazzigen Ansätzen. Mit diesem Album verkörpert er alles Musikalische, das im Lauf seines Lebens Bedeutung hatte. Wild und spannend.

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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