Von Günter, 22.04.2020

VIMMA/ :TIM/ YAKIR ARBIB/ LAURENT BOURQUE/ MATT HOLUBOWSKI

Mal ganz ehrlich, vermisst schon jemand den regelmässigen Besuch bei seinem/ihrem Halbgott in Strassenkleidung, dem Mann oder gern auch der Frau hinter dem Schallplattenladen-Tresen? Alle Spotifys oder I Tunes dieser Welt mit ihren von den Musikverlagen gesteuerten Playlisten können den sympathischen Blick oder unsympathischen Kommentar zum gewählten oder empfohlenen Produkt nicht ersetzen. Erst recht nicht, wenn diese Beziehung über Jahre, wenn auch nur an diesem Ort, gepflegt wurde.

Crimson? Zappa? Vimma!

Welche ‚Tags‘ (Kurzbezeichnungen, mit deren Hilfe der Algorithmus berechnet, was Du gut finden sollst) diesem Produkt angeheftet werden können, da kann ich auch nicht recht helfen. Schon das Personal, 2 Violinen, 1 Sängerin, 1 Bläser, plus Band mit 1 elektrischen und einer Gitarre ohne Strom lässt keine konkreten Schlüsse zu. VIMMA brechen ganz behutsam, akustisch, fast romantisch in ihr aktuelles Tonträger Abenteuer auf. Etwas mehr Leben kommt auf, wenn die Violinen ein Thema anstimmen, dass auf einem Motiv aus der heimischen (finnischen) Folklore entnommen sein könnte. Spätestens in Titel 4 sind sie dann richtig warm gelaufen. Knackige Riffs, vieltönige unisono Melodien und fliegende Rhythmuswechsel. Da sehe ich eine direkte Verwandtschaft zu der Komplexität von Zappa’s Wirken oder auch das Orchester-artige Zusammenwirken der vielen musikalischen Stimmen, das ich bei King Crimson so faszinierend finde.“Meri ja avaruus“ schöpft ebenso aus der Tradition wie aus dem ‚Prog Rock‘ und verfällt dabei nicht in Kunsthandwerk.


Diese hier kriegt von mir den Tag ‚Comedy‘. Für :TIM und die Freunde und Clique, mit deren Hilfe er seine „Muscheln“ in ein kaufbares Produkt verwandeln konnte, ist das Leben offensichtlich immer ein Spass. Simple, selbst programmierte Tunes, die mit dem ‚kann ich auch Charme‘ der NDW spielen, aber durchaus ein James Brown Gitarren-Riff passend integrieren. In den Texten geht es vornehmlich um Sex, Sekt und Luxus. Musikalisch keine wirkliche Offenbarung, aber dafür sehr amüsant.
Noch weniger Instrumente. Piano solo. YAKIR ARBIB präsentiert auf „My Name is Yakir“ ein Solo Programm, mit dem er sicher auch Festival-Veranstalter oder Club-Bucher von seinen Fähigkeiten Überzeugen kann. Äusserst fingerfertig und rhythmisch sicher führt er durch sein Portfolio, in dem er neben 5 eigenen Kompositionen 7 Klassiker der Jazz Geschichte von z.B. Gershwin über Ellington, Parker und Coltrane in sowohl emotional als auch technisch anspruchsvollen Adaptionen preisgibt.

einfach nur schön

Hier mal eine, die irgendwie gar nicht besonders ist, sondern einfach nur schön. LAURENT BOURQUE, in seiner Heimat Kanada bereits ein wenig gefeiert, hat einen bunten Strauss meist melancholisch-romatischer Lieder unter dem passenden Titel „Blue Hour“ für sein neues Werk erfunden. Mit sparsamer musikalischer Begleitung singt er sich durch kleine Geschichten um Liebe und was bevorzugt in deren Umgebung auftaucht. Aber nie ‚happy go lucky‘, sondern immer mit gebremstem Schaum. Wie die besten Balladen von Billy Joel, sage ich jetzt mal. Wer auch mal eine ganze Platte ohne unglaubliches (Gitarren- oder was-) Solo aushalten kann, ist hier genau richtig.


Leise ist das neue Laut..

Und nu wird’s richtig ‚deep‘. MATT HOLUBOWSKI legt mit „Weird Ones“ ein Album vor, das fast ganz ohne Rhythmus auskommt. Schöner, intimer Folkpop (Zitat), der nicht weit ist von Ben Howard oder sogar Bon Iver. Oft mit Falsett-Stimme, immer aber mit zartester Begleitung erläutert er seine Ansichten aus dem und über das Leben. Das fast 10 minütige ‚Love, the impossible Ghost‘ am Schluss lässt auch den härtesten Tag absolut friedvoll enden. Für die ganz späte Stunde, wenn zumindest noch Wein da ist.


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