Von Günter, 29.04.2020

WOOD RIVER/ MOONLIGHT BENJAMIN/ TRANSATLANTIC GUITAR TRIO/ M.M. & THE BRAZIL TRIO/ ROSA MORENA RUSSA/ NATALIE GREFFEL

Zu Beginn heute mal weder Fisch noch Fleisch. WOOD RIVER nennt sich die Band um Charlotte Greve, die singt, Saxofon spielt und den Sound mit Synthesizern ergänzt. Mit E-Gitarre, Bass und Drums ist das Quartett vollzählig und legt sich auf keine Sparte wirklich fest. Rock-Rhythmen und Sounds, dazu jazziges Handwerk, melodischer Gesang und auch mal leicht psychedelisches ‚Dahin-Jammen‘. „More than I can see“ enthält neben durchaus ‚frickeligen‘ Passagen unerwartet schöne Harmonien, die ihr sparsames, mit langen Tönen durchsetztes Saxofon-Spiel betonen.

Karibischer Rock!

Auch „Simido“ von MOONLIGHT BENJAMIN vermengt unerwartete musikalische Quellen miteinander. Die Sängerin stammt aus Haiti und singt ausschliesslich in Creole. Ihr Kreativ-Partner Matthis Pascaud ist dafür ein echter Rock-Fan mit Heimat im Blues. Entsprechend gibt’s hier treibende Rock-Rhythmen, vornehmlich von der Gitarre geprägt, Gesangslinien und Phrasierung, die nicht ganz weit von Afrika entfernt sind und Melodieverläufe, denen m/f die karibische Abstammung anmerkt, das alles garniert mit knackigen Riffs, die ich mir sogar gut in Rock-Möllers Nächten vorstellen kann.


Gypsy Swing trifft Pop und Jazz

Speziell für die Freunde der 6 saitigen akustischen Gitarre formen Joscho Stephan, Richard Smith und Rory Hoffmann das TRANSATLANTIC GUITAR TRIO. Auf einzelnen Titeln erweitern sie das kompakte Set um Bass, Drums und Cello und reisen auf ihrer CD durch Zeiten und Kontinente. Ein gelungener Mix aus Jazz Standards, Pop-Songs, durchsetzt mit Eigenkompositionen. Zwischen Gipsy Jazz, swingenden Balladen und perfekt intonierten ‚Schnulzen‘ zeigen die Herren ihre Klasse, immer absolut Song dienlich und weit entfernt von Profil-Neurose. Dies ist kein Wettkampf der schnellsten Finger, sondern ein gleichberechtigtes Schaulaufen 3er exzellenter Instrumentalisten.


Vorerst wird wohl niemand von uns dahin Reisen können, da ist es doch ganz schön, wenn die Musik zu uns kommt. 3x Brasilien in Variation. Am nächsten an der uns geläufigen Bossa/Samba Tradition bewegt sich Martin Müller mit seiner M.M. & THE BRAZIL TRIO. Begleitet von Bass und Perkussion/Drums bringt er 10 seiner favorisierten brasilianischen Originale plus 4 eigene Gewächse zu Gehör. Von Gismonti über Powell zu Jobim interpretiert er das ausgesuchte Material in ganz individueller Weise, vom dezent agierenden Bassisten und der sensiblen Perkussionistin lässt er sich auf seinen Ausflügen tragen und zeigt nebenbei, zu welchen klanglichen Variationen auch eine stromfreie Gitarre geeignet ist.
ROSA MORENA RUSSA, ist das nicht die in Hamburg lebende Russin mit einem Riesenfaible für Brasilien? Ich erinnere mich nicht genau an frühere Werke, aber auf „Caprixaba“ hat sie auf jeden Fall ein komplett brasilianisches Ensemble dabei. Wenn der Herr Müller eher der ‚Handwerker‘ ist, dann ist sie die Poetin. Mal nur lautmalerisch, in deutsch, russisch und brasilianisch ‚tanzt’sie durch ihre selbst geschriebenen Songs und sowohl die Combo als auch der Produzent haben ein feines Gespür für die richtige Begleit-Sound-Menge zur richtigen Zeit.

MPB aus Berlin, 2020!

Diese hier hat deutlich den grössten Jazz-Einfluss dieser Auswahl. NATALIE GREFFEL lässt auf ihrem „Para Todos“ sowohl die Samba-Trommeln sprechen, als auch Jazz-betonte Spielweise und komplexe Instrumental-Arbeit. Die äusserst kregel agierende Band (keine Brasilianer!) trägt grossen Anteil an der Frische dieser Musik, die mich besonders in den vom Rhodes Piano geführten Stücken stark an die Ausdrucksweise von Airto und Flora erinnern, stellenweise sogar an das erste Return to Forever. Dazu bewegt sie sich sicher in der Sprache (Portugiesisch/Brasilianisch) und trifft genau die richtigen Betonungen und Nuancen, die die moderne brasilianische Musik (MPB) deutlich von den anglo-amerikanischen oder bundesdeutschen Varianten Pop unterscheiden. Motiviert, engagiert, inspiriert. Gut Gemacht!


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Günter Günter

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