Ohrenschmauch
Von Günter, 22.07.2020
PETIT PRINCE/ BAHAMA SOUL CLUB/ KETIL BJORNSTAD & GURO KLEVEN HAGEN/ SANDY BRECHIN TRIO/ ALHOUSSEINI ANIVOLLA & GIRUM MEZMUR
Das mit dem Mischwetter ist meine Schuld. Ich habe für dieses Jahr einen normalen westfälischen Sommer bestellt und ihn auch bekommen….
PETIT PRINCE ist als Künstlername durchaus gewagt. Verbindet damit doch beinahe jede/r die sehr alte und genauso schöne Geschichte. Doch er gibt sich maximale Mühe, sein „Les plus beaux Matins“ den entsprechenden Optimismus und das positive Ende vermitteln zu lassen. Harmonisch fliessender französischer Pop mit leicht psychedelischen Anwandlungen und der einen oder anderen etwas schärferen Ecke. Mit sanfter Stimme zu ‚richtigen‘ und programmierten Instrumenten, Background-Stimmen und dem nötigen laissez faire bringt er uns seine schönsten Morgen näher.
Noch etwas weiter im Westen findet m/f den Oliver Belz. Er hat mit seinem BAHAMA SOUL CLUB in Portugal Quartier bezogen. Das letzte Album, ‚Cuban Tapes‘ liegt eine gefühlte Ewigkeit zurück (2013), die Zeit ist Reif für den würdigen Nachfolger. Hier kommt „Bohemia after Dawn“. Entspannt und abgehangen rollen die neuen Grooves aus den Lautsprechern. Mit fettem Bass und weiteren handgespielten Instrumenten, raffiniert zusammen gesetzten Samples und aufregenden Stimmen. Ganz gleich, ob die Songs selbst konstruiert sind, oder auf bekannten Originalen (mit den Stimmen von B. Holiday, J.L. Hooker, Wynona Carr)) beruhen, der Bahama Soul Club mit seinen derzeitigen Mitstreitern gibt ihnen allen den dem Titel entsprechenden Tonfall. Damit es nicht nur beim Fusswippen und Kopfnicken im Sonnenschein bleibt, gibt es 2 Titel in extra temperierter Aufmachung für die Nacht, angereichert vom Club des Belugas und Herrn Smoove. Sommerplatte absolut!
Zum ersten Mal in seinem langen Leben als Autor und Musiker ist „The personal Gallery“ eine CD mit ausschliesslich Kompositionen für Klavier und Violine. KETIL BJORNSTAD & GURO KLEVEN HAGEN intonieren diese von ihm geschaffenen ‚Miniaturen‘ mit beinahe blindem gegenseitigen Verständnis. In den 18 Titeln finden sich Anklänge an seine favorisierten Vorgänger in der klassischen Musik, für Modernismen oder Experimentelles ist hier kein Platz. Aber für zwei intuitive Musiker, die mit der Art ihres Zusammenspiels die zu den Titeln passenden Geschichten erzählen und ausleuchten. Wundervoll romantisch.
Auf ein ganz anderes Feld. Ein schottischer Akkordeon-Spieler, ein Bass und eine Violine aus Schweden bilden das SANDY BRECHIN TRIO. Auf dessen „Polecats and Dead Cats“ geht es zwar ziemlich folkloristisch zu, aber keineswegs bierernst. Gewitzt mischen sie Skandinavisches mit Schottischem, bringen ihre langjährige Erfahrung, trainiertes Handwerk und eine gewisse Portion Humor, besonders in den gewählten Titeln, ein und verursachen nicht ganz eine Stunde kurzweilige, temporeiche Musik.
Ohne einen Tipp für Afrikanisches geht es auch in dieser Woche nicht. „Afropentatonism“ nennen die beiden Gitarristen plus Band ihre live aufgenommene Studie in nigerianische Moderne trifft äthiopische Fün-Ton-Musik. ALHOUSSEINI ANIVOLLA & GIRUM MEZMUR sind keine Newcommer. Ersteren können Interessierte seit seiner Arbeit bei Tinariwen kennen, letzterer ist zumindest in seiner Heimat populär. Unterstützt von einseitiger Violine (Masinko), der Krar, einer 5 saitigen Bassleier und Mandoline ergehen sich die beiden in repetitiven Grooves, hypnotischen Jams und rauen Gitarrentönen (Zitat). Und wie sich im Lauf der 8 Titel herausstellt, braucht es wirklich nicht mehr als 5 Töne pro Oktave um eine faszinierende Rhythmus- und Klangwelt zu erschaffen.