Von Günter, 02.09.2020

ROSSET MEYER GEIGER/ CHRISTION ELSÄSSER & WDR BIGBAND/ EINAR FLAA/ PETER BRODERICK

Da war er wieder, Petrus‘ von mir noch nicht gewünschter ‚Kippschalter-Mix‘. Von sengender Sonne zu überschwemmtem Gehweg in 24 Stunden. Klar, ein paar schöne Tage werden noch kommen, aber mit dem Sommer war es das.

Kammermusikalisch Free Jazz

Deshalb auch sofort zu Musik, die m/f von Tonträger eigentlich nur im geschlossenen Raum geniessen kann. ROSSET MEYER GEIGER sind seit 20 Jahren als Working-Band unterwegs. Auf drei für dieses Genre sehr erfolgreiche Studio-Platten konnte das Trio aus p/b/dr bereits zurückblicken als „Live at Beethoven-Haus Bonn“ 2017 aufgenommen wurde. Vom Deutschlandfunk exzellent aufgenommen und bereits mehrfach ausgestrahlt gibt es dieses Ereignis jetzt auch auf CD. Ziemlich frei gespielter Jazz mit der Zurückhaltung und Finesse eines Kammermusik-Ensembles, der Energie und Dynamik dreier austrainierter Improvisateure, die, sowohl gemeinsam als auch jeder für sich, in 6 meist langen Tracks ob ihres intuitiven Zusammenspiels bei HörerInnen erstaunliche Emotionen freisetzen können.


Auch Jazz, aber ganz anders, CHRISTIAN ELSÄSSER & WDR BIGBAND lassen das grosse Besteck klingen. 7 zum Teil sehr lange Titel, vom Dirigenten speziell für diesen Klangkörper geschriebene Kompositionen für die volle Besetzung. Die Bandbreite der Werke reicht von beinahe sinfonisch anmutenden Arrangements über moderne, vielstimmige Bläser-Partituren zu Swing und Blues. Herr Elsässer beweist ein feines Gespür für den richtigen (die richtige!) SolistIn an der richtigen Stelle, lässt diese sowohl frei als auch in vorgegebenen Schritten improvisieren. Seine Liebe zum klassischen Orchester scheint immer wieder durch, die beteiligten MusikerInnen setzen diese mit dem Instrumentarium der Bigband entsprechend engagiert um. So führt diese „Spurensuche“ sehr kurzweilig an die unterschiedlichsten musikalischen Orte.

Meine Schönheit der Woche

Sein musikalisches Vorbild scheint sehr deutlich durch. Sowohl Stimme als auch Instrumentierung klingen deutlich nach dem frühen Neil Young (etwa ‚After the Goldrush‘). Was diese CD trotzdem sehr speziell macht, sind EINAR FLAA’s aussergewöhnlich schöne Melodien und die sehr persönlichen Texte. Den durchweg ruhigen, unangestrengten Charakter der Titel erreicht er durch das sehr zurückgenommene Schlagzeug und den Kontrabass, die keinen Druck aufbauen sondern im Hintergrund die Fäden zusammen halten und damit die entspannten Ausflüge von Dobro oder Steel Guitar tragen. Einar ist zwar Norweger, er singt jedoch durchweg in Englisch, so dass m/f nicht nur den schönen Klängen, sondern auch seinen Gedanken leichter folgen kann. Schönheit der Woche!


Peter Broderick’s Statement

Den Sinn der Sache müsste mir noch jemand erläutern, denn PETER BRODERICK’s neue Platte, die erste seit 5 Jahren auf der er singt, ist digital (also hören oder herunterladen) bereits zu haben, physisch soll sie erst im Oktober kommen. Für das Label (Erased Tapes verlegt überwiegend experimentell Elektronisches) ungewöhnlich. Singer / Songwriter mit sonorer Stimme und Gitarre, der auf „Blackberry“ auch alle anderen Instrumente selbst spielt. In den Texten geht es im Wesentlichen um den Menschen als soziales Wesen und seinen Umgang mit der Natur in Zeiten, in denen Fortschritt noch nicht eindeutig als Segen oder Fluch definiert werden kann. In gebremstem Tempo erläutert er seine Gedanken und gibt Einblick in seine Welt. Wenn es von der Anzahl der Klicks abhängt, ob oder wann das Album auch als LP erscheint, sage ich nur: „Macht es!“. Dieses sehr persönliche, wohltuend warm klingende Statement soll auch als schwarzes Gold lange Zeit überdauern.


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

Beiträge 2020