Von Günter, 09.09.2020

SIGURD HOLE/ NILS WÜLKER/ SUSANNA/ SOPHIE HUNGER

Da sind wir wieder: Das Herbstanfangsgebäck (hiess früher mal anders) steht bereits in den Supermärkten, Musik-Tipps für den lauen Abend unterm Sternenzelt sind nicht mehr angebracht. Na dann… eben Stoff für die jetzt eher beginnende Dunkel-Phase.

Das war schon das etwas um die Ecke Intro zu „Lys/Morke“ (Licht/Dunkelheit), der neuen Doppel CD von SIGURD HOLE. M/F kann ihn kennen aus dem Umfeld T. Gustavsen, H. Lien oder B. Wesseltoft. Hier aber spielt er ganz allein. Bass. Kontra Bass. Nicht die fingerfertige Variante des Jaco, sondern eher Stillleben in Klang. Dazu nutzt er die vielfältigen Möglichkeiten des Instruments, zupft, streicht, lässt die Saiten schnurren, klingen, kreischen, um die Stimmungen, die die Titel benennen (Welle, Tautropfen, Schatten, Reflexion…) in akustische Bilder umzusetzen. Im Hintergrund Naturgeräusche, die er als Teil seiner Kompositionen / Improvisationen einsetzt. 2 CDs einzeln verpackt, optisch und akustisch passend zum jeweiligen Titel in einem gemeinsamen schwarzen Schuber. Durchaus herausfordernd, es muss ja nicht immer Easy Listening sein…

Trompete, Band, Electronics

Ein wenig konsumfreundlicher wird es jetzt mit dem neuen Werk von NILS WÜLKER. „Go“ zeigt ihn in ziemlich elektronischer Umgebung. Auf seinen Gitarristen verzichtet er nicht und ‚richtige‘ Drums gibt es auf fast allen Tracks. Seine melodischen Trompeten-Linien unterlegt und ergänzt er jedoch mit programmierten Beats, erweitert das Klangbild mit diversen Synthesizern und Effekten, mit denen er erstaunlich andere Sounds aus seinem Instrument herausholt. Sein Ton ist nach wie vor weich und warm, die Harmonien ausgefuchst und die Grooves reichen von kühlen Downbeats zu beinahe Old School funky. Höhepunkt ist für mich Titel 6 ‚Highline‘ , das Duett mit seinem amerikanischen Kollegen Theo Croker auf einem dezent schiebenden Elektro-Beat. Sollte m/f gehört haben.


Baudelaire & Piano

Wanderin zwischen den Welten ist etwas hoch gegriffen, aber künstlerische Freiheit und ihre Inspiration über die Musik hinaus haben uns bereits spannende und hochgelobte Tonträger beschert. Nach dem ‚Garden of earthly Delights‘, ihrer musikalischen Interpretation des Werks von Hieronymus Bosch, auf dem sie von ihrer kleinen Band begleitet wurde, traut sich SUSANNA ganz im Alleingang mit Stimme und Piano an 10 Gedichte aus Baudelaires Zyklus ‚Les Fleurs du Mal / The Flowers of Evil). Ausdrucksstark intoniert sie das schauerliche Kabinett der Figuren-Vorlagen, begleitet von skelettartigen Klavier-Passagen (danke dafür, Sven!) und reduziert Form und Inhalt auf das Minimum, auf die Essenz des Werks. „Baudelaire & Piano“, in beinahe klassischer Liedform. Kulturgut?


Gelungenes Beispiel

Auf der Stelle treten, bei einem (Erfolgs-) Rezept bleiben ist nicht SOPHIE HUNGERs Ding. Den Produzenten (Dan Carey) hat sie nicht gewechselt, aber ihre selbst geschriebenen Songs driften weiter in Richtung elektronischer Unterstützung. Rhythmusgruppe und Piano bleiben ‚echt‘, dazu kommen Keyboards / Synths. „Halluzinationen“ ist dabei alles andere als eine ‚Sängerin mit Band‘ Platte. In den sowohl deutsch- als auch englisch-sprachigen Texten, gut formuliert und tiefgründig, geht es vornehmlich um Beziehungen; zu anderen Menschen oder sich selbst. Rhythmisch und harmonisch akribisch ausgearbeitet, bleiben die 10 Songs dennoch schwebend leicht und zugänglich. Ein gelungenes Beispiel für die Mischform aus konventionellem Popsong unter Einbeziehung der mittlerweile mehr als 25 jährigen analog und digitalen Up- und Downbeat Produktionsweisen.


Archivtexte Ohrenschmauch

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