Von Günter, 28.10.2020

BRUCE SPRINGSTEEN/ KEITH JARRETT/ JOHNSANTOS SEXTET/ ZUZANA LEHAROVA QUARTET/ ANDREAS HOURDAKIS/ JOHN HELLIWELL

Herbst 2020, der ‚BOSS‘ SPRINGSTEEN (71) legt schon wieder eine neue Platte vor. Mit seinen frühen Mitstreitern, der E-Street Band, die auf 2 Positionen neu besetzt werden musste, C. Clemons und D. Federici (Sax und Orgel/Keys) heben es nicht bis in dieses Jahr geschafft. „Letter to You“ ist der Titel, zum Inhalt weiss ich erst in der nächsten Woche mehr.

Am 30. Erscheint das „Budapest Concert“ von KEITH JARRETT. Nach eigener Aussage der ‚Gold Standard‘ der 2016 Tournee, von der es bereits das Münchener Konzert auf Tonträger geschafft hat. Neue Musik wird es von ihm vermutlich nicht mehr geben, die Folgen 2er Schlaganfälle lassen ihn nicht mehr Piano spielen. Beide Titel für die jeweiligen Fans sicher ein Fest, nicht nur auf CD.

Zu einer Musik, die die amerikanische Kultur sicher noch stärker beeinflusst hat, als die beiden oben genannten Künstler. Latin Jazz, hier dargeboten vom JOHN SANTOS SEXTET mit einer grossen Zahl an Gästen. Den Eingeweihten verrät schon der Titel, worum es geht: „Art of the Descarga“. Was wir eingedeutscht Jam Session nennen, war schon immer fester Bestandteil des afro-karibischen Musikschaffens. Thema und Rhythmus (Rumba, Bomba, Plea, Son..) vorgegeben, alle teilnehmenden bringen sich und ihr Instrument ein. Flöte, Saxofon, Piano und in diesem Fall besonders ausgeprägt, Perkussion. Kein Wunder, der Bandleader spielt und unterrichtet dieses umfangreiche Instrumentarium seit Jahrzehnten in SFs Bay Area. Also nix melancholisch schöne kubanische Lieder, sondern explosives Latin Treibgut, das für hiesige Aficionados ganz sicher auch als explizites Lern-/ Lehrmaterial Anwendung finden kann.

Zuzana Leharova – Jazz und die Geige

Bandleader am Vibrafon gab es hier allein in den vergangenen Woche bereits zwei, aber eine Violinistin, die einer Jazz-Combo vorsteht tatsächlich noch nie. Das ZUZANA LEHAROVA QUARTET bietet auf „Knochenmann“ eine erstaunliche musikalische Bandbreite, die die Nr. 85 in der ‚JAZZThing Next Generation‘ Reihe mehr als nur rechtfertigt. Minimalismus, Improvisation, traditionelle Folklore ihrer Heimat und selbst beinahe Rock-Elemente verschmelzen diese Vier zu einem zwar gelegentlich spröden, aber immer gut hörbaren und sehr eigenen Gesamtsound. Die Violine spielt dabei nicht durchweg die erste Geige, ihre Kollegen an Piano, Bass und Drums setzen deutliche Widerparts oder treiben an. Auf der Hälfte der Titel bereichern sie den Bandklang um das überzeugende Trompetenspiel von Bastian Stein. Eine derart vielseitige Protagonistin schafft es hoffentlich, dieses im Jazz nicht sonderlich geliebte Instrument wieder etwas mehr in den Fokus zu rücken.


Andreas Hourdakis – Gitarre im Trio

Ein mindestens genau so versierter Individualist ist ANDREAS HOURDAKIS. Der in der nordischen Jazz-Szene viel beschäftigte Gitarrist bietet auf „Underworld“ mit seinen langjährigen Kollegen an Kontrabass und Drums Rock-Jazz. Wobei ich den Rock ausschliesslich an seinem elektrisch verstärkten Instrument fest mache. Das lässt er eher lyrisch klingen, also mehr Abercrombie als Mahavishnu und seine Rhythmusgruppe webt ihm den dichten Teppich für seine Spaziergänge durch mystische Themen und fantasievolle Ereignisse. Sein spezieller Sound, seine Spielweise bleiben unverkennbar, werden auf je einem Titel per Rhodes Piano bzw. Kornett in interessante Duette verwickelt.


John Helliwell – Entspannt, feierlich,

Eine ungewöhnlich schöne, ja feierliche (ohne Kitsch!) Platte hat JOHN HELLIWELL, der ehemalige (oder noch?) Saxofonist von Supertramp fertig gestellt. Zusammen mit Hammond-Organist John Ellis und dem Rakhi Singh Streichquartett intoniert er 14 ausgesuchte Musikstücke. Altes, Junges, Traditionelles, eigens Komponiertes oder Improvisiertes, alles getragen von beinahe erstaunlicher Ruhe und Intensität. Zwar steht der Namensgeber oft im Vordergrund, aber die komplexen Arrangements für Streicher und Orgel schaffen das perfekte Gegengewicht. „Ever open Door“ enthält fast 75 Minuten wohlklingende, komplexe Musik, langsam strömend wie ein breiter Fluss, auf dem Gedanken und Zeit dahinschweben.


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Günter Günter

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