Von Günter, 06.01.2021

NENAD VASILIC/ THERESIA PHILIPP/ FEE/ AGGREGAT

Läuft zwar schon seit ein paar Tagen, aber trotzdem: Willkommen auf der neuen Runde! Wem die letzte nicht gefallen hat, der oder die kann gern einen Moment innehalten und sich an Menschen aus dem persönlichen Umfeld erinnern, denen es nicht vergönnt war, überhaupt bis hierhin zu kommen.

Neue Musik gibt’s auf jeden Fall, auch wenn die noch aus dem letzten Jahr stammt. NENAD VASILIC hatte ich hier vor geraumer Zeit mit einer Bass-Solo-Platte. Für die aktuelle „Vol.1“ hat er sich mit wechselnder Mannschaft verstärkt. Drums, Gitarren, Rhodes, Bläser, Akkordeon, ganz nachdem, was jede der 11 eigenen Kompositionen am besten ausfüllt. Traditionelle Themen vom Balkan setzt er in komplexe Jazzgerüste, hält Zwiegespräche mit Gitarre und Piano, ist dabei jedoch nicht der Vordergrund-Player. Expressive Soli der Kollegen, dazu flexible Rhythmusarbeit mit dem Drummer, durchaus auch schräge Arrangements, dabei aber nie schrill oder disharmonisch, so übersetzt er seine musikalische Sozialisation in zeitgemässe Musik für Jazz-Combo.

Theresia Philipp – Abstrakt, frei, ungeschönt

Sehr viel abstrakter bleibt es auf „Pollon with Strings“, dem aktuellen Album von THERESIA PHILIPP und ihrer Formation Pollon, erweitert um Violine, Viola und Cello. In 9 eigenen Kompositionen verbindet sie Avantgarde-Jazz, Neue Musik und liturgische Klänge östlicher Abstammung. So muss m/f zunächst durch 2 fast frei improvisierte Titel, bevor eine extrem schöne Trauermusik (so klingt sie für mich) mit einem späten, ausufernden Sax-Solo die Gehörgänge kurz schmeichelt. Gezielter Schönklang ist nicht ihr Ding, harmonische und rhythmische Tücken dafür umso mehr. Easy Listening klingt definitiv anders.


Fee – Neue Stimme aus der Heimat

Ungefähr so, wie „Nachtluft“ von FEE. 10 selbst verfasste Geschichten in nachvollziehbarem musikalischen Gewand. Angeraute Stimme, lakonischer Tonfall und solide Bandarbeit hinter ihr. Längst nicht so abgebrüht opportunistisch wie der grössere Teil ihrer männlichen Kollegen aus der ‚Homemade‘ Songschreiber-Werkstatt. ‚Chöre‘ singen für sie nicht, das macht sie ohnehin selbst besser, dafür kommen ihre Texte, meist über Beziehungskisten, einfach glaubwürdig herüber. Genau so wenig versucht es die Band mit kunstvollen Verrenkungen, sondern stimmt die Begleitung passend auf Thema und Gesang ab. „Nachtflug“ - gezielt und gekonnt. Gute Unterhaltung!


Aggregat – Instrumentale Groove-Attacke

Und noch eine für die Abteilung ‚4 ist doch ‘ne gerade Zahl oder?‘ AGGREGAT arbeiten mit Drums, Cello & Electronics und Synthesizer. Der menschliche Trommler ist vermutlich der gute Grund dafür, dass sie auf „I“ nicht permanent in die ‚4 to the Floor‘ Falle tappen. Electro ohne Tanzzwang, Clubmusik für das aufmerksame Zuhören. Instrumental-Musik, die sich nicht als Motor für Funktion versteht, sondern aufgrund ihrer vielschichtigen Konstruktion auf ein grösseres musikalisches Umfeld verweist. Das im wahrsten Sinne lebendige Schlagzeug, besorgt mit variabler Rhythmik den stabilen Untergrund, auf dem Cello, Effekte und Synthie ihre Harmonien und Flächen ausbreiten können. Klingt bisweilen verwandt, hat jedoch fast keine Gemeinsamkeiten mit der üblichen Tanzbodenmusik der Jetztzeit. Und macht die Ohren frisch!


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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