Ohrenschmauch
Von Günter
WESTBAM/ HALF MOON RUN/ MICHEL MEIS 4TET/ GIZELLE SMITH/ CAN YOU FEEL IT VOL. 3

Lokale Acts finden hier bevorzugt Erwähnung. Das gilt für Äni(x)väx und genauso für den ehemaligen Blutsbruder Frank Xerox, der zunächst im Odeon als ‚Scheiblreiter‘ (DJ) Westfalia Bambaataa in derDomstadt Furore und von dort aus über Berlin als WESTBAM international Karriere machte. Unter dem Titel „Famous last Songs Vol. 1“ legt er jetzt ein neues Werk vor. Im Tempo eine Spur langsamer, als m/f es von Musik für den Club erwartet, liegt in diesem Fall der Fokus auf Songs. Natürlich sparsamst programmiert, mit geradem klaren Beat und Klängen, die aus den 80ern herüber geweht scheinen. Den besonderen Charme entwickelt das Werk jedoch durch die Gastsänger/innen, von u.a. Inga Humpe über Marian Gold zu Ben Becker und Dieter Meier. Diese gereiften Stimmen im Zusammenhang mit den stoischen, geradezu dezenten Beats erinnern mich an Bauhaus Ideen. Die Form folgt der Funktion. Tanzfläche geht natürlich genauso wie hören mit dem Club im Kopf. Seine Vorlieben für Sounds und Stimmungen der 80er verarbeitet er mit den reduzierten Klangvorstellungen des hier und jetzt. Sein reifstes Werk bisher!
Wg. kurz auch nur kurz. HALF MOON RUN sind mit ihrem „Inwards & Onwards“ in weniger als 20 Minuten durch. Sie leiden nach wie vor, trauen sich aber schon mal lauter zu werden. Einprägsame Melodien, schönen Gesang und treffende Arrangements können sie sowieso.
„Kaboom“ ist der gut gewählte Titel für das 2. Album des MICHEL MEIS 4TET . Er beschreibt kurz und knapp, wie sich das um den Geiger Theo Ceccaldi (auf 5 von 11 Titeln) vergrösserte Quartett aus zurückhaltendem, eher leisen Zusammenspiel ohne Vorwarnung in fast explosionsartige Improvisationen und Energieschübe steigert. Der Bandleader an den Drums bleibt im Hintergrund und lässt den faszinierenden Klängen von Posaune und Violine viel Raum zur Entfaltung. Diese durchaus lyrischen Elemente bilden den beruhigenden Gegenpart zu zum kräftigen Ensemble Spiel.

Mit ihrem 3. Album verabschiedet sich GIZELLE SMITH aus der Retro Soul Kiste. Die konventionelle Instrumentierung der Band bleibt, aber Sound und Rhythmen huldigen eher den ‚Deep Soul Divas‘ jüngerer Jahrgänge. Die zum grössten Teil selbst verfassten Songs spiegeln ihr gewachsenes Selbstbewusstsein und die (auf dem Cover leider nicht genannte) Combo gibt den Rückhalt, dieses auch offensiv zu vermitteln. Mein Favorit: Track 6, ihre fett groovende Variante von „King oft he Hill“, so funky klang die gute Kate B. nie.

Auch wenn ich mich da wiederhole, es ist einfach unglaublich, welche Perlen die Damen und Herren bei Tramp Records auch nach bald 20 Jahren Feldforschung immer wieder zu Tage fördern. In dieser Woche gibt’s den 3. Teil der „CAN YOU FEEL IT“ Reihe. CD mit 17 unerhörten Tracks, Doppel LP mit zusätzlicher 7Inch. Der Untertitel ‚Modern Soul, Disco & Boogie 76-85 umreisst den Inhalt kurz und knapp, kann dabei aber den Schwung, die Energie und den Einfallsreichtum der Vertretenen KünstlerInnen und Acts nicht vermitteln. Und beinahe alle nie vorher auf CD erhältlich.
Ist das noch Rare Groove-Fan-tun oder bereits erfolgreiche Archäologie?