Von Günter, 15.12.2021

CHARLIE PARR/ HAESEN & BREIDENBACH/ AIMEE MANN/ HENNING NEIDHARDT TRIO/ HAND HABITS/ ASTHMA CHOIR

Charlie Parr– Ausnahmetalent

Ausnahmetalente gibt es in der Folk-Blues-Szene mindestens seit den 30er Jahren, oft Vorbilder für unsere aktuellen oder gar schon verstorbenen Saiten-Wringer. Von CHARLIE PARR haben wohl die wenigsten bisher gehört. Ein Meister auf der Resonator- wie auf der 12 saitigen. Auf „Last of the better Days ahead“ beschäftigt er sich mit dem Blick in seine Vergangenheit, die deutlich länger ist als seine Zukunft, über die er sich ebenfalls Gedanken macht. 10 Songs im Alleingang an einem Tag eingespielt und gemixt, dazu für das Finale eine 15 minütige, instrumentale Meditation, eine musikalische Landschafts-Beschreibung wie er sagt, die vermutlich auch die Herren Gilmour oder Knopfler staunen lässt. Wo sonst, als bei Smithsonian Folkways könnte ein solches Werk verlegt sein? Natürlich mit ausführlichem Booklet plus Texten. Und sogar als Doppel LP!


Im Vergleich dazu klingt „Où est l’amour“ des Duos HAESEN & BREIDENBACH spielerisch schwebend. Sie singt, er spielt Gitarre und andere Instrumente. Irgendwo zwischen jazzigem Ansatz und einer Spur Chanson-Tradition. Die Gitarre gekonnt aber dezent als harmonische Stütze für den zum Teil raffinierten Gesang der gut trainierten Partnerin.

Apropos Gesang: Ausgeklügelte Stimmenparts mit entsprechend vielseitiger Begleitung durch Klavier und Rhythmusgruppe. FALKEVIK nennt sich das Projekt, Namensgeberin Julie entlockt dem Piano einprägsame Akkorde, eingängige Melodien, die immer wieder haarscharf am Popsong vorbeischrammen, wozu auch Bass und Drums ihren Teil beitragen. Gezielt eingesetzte Electronics erweitern den Klang des Tasteninstruments und untermauern den Status dieses nordischen Trios als eine der am frischesten klingenden Klein-Combos aus Skandinavien.

„Queens of the Summer Hotel“, das aktuelle Werk von AIMEE MANN klingt eher nach einem Musical, als nach Singer/Songwriter. Anstelle der gewohnten Band im Hintergrund gibt das Piano den Harmoniefluss vor, begleitet von zurückhaltender Orchestrierung. Ein wenig dunkel und melancholisch, diese 15 Tracks in 40 Minuten der Sängerin, der auch nach etlichen Jahren im Geschäft ein echter Durchbruch nicht gelungen ist.

Das HENNING NEIDHARDT TRIO ist ein weiterer Dreier, der sich zwar in der Tradition dieser Gattung bewegt, dabei genauso intensiv mit moderner Interpretation des Genres hantiert. Nicht fixiert auf handwerkliche Höchstleistung, sondern auf den gemeinsamen Klang, im Tempo wie besonders auch in den balladesken Momenten. Nicht der nächste Hype, sondern eine weitere spannende Facette dieser Besetzung, die scheinbar niemals ausgereizt sein wird.

Hand Habits – Hand Habits – Fun House

Die Tracks ohne Elektronik-Einsatz könnten auch von einer frühen Neil Young Platte stammen. Der grössere Teil auf „Fun House“, dem neuen Album von Meg Duffy’s Projekt HAND HABITS wird dominiert von qualifiziert angewandter Programmierung zusammen mit ‚richtigen‘ Instrumenten als Basis. Sehr persönliche Songs zum Thema ‚wer bin ich wirklich – nach innen und nach aussen?‘. Formuliert aus Erkenntnis und Frage. Eher zurückhaltend dargeboten und mit viel Liebe zu Details und Gesamtklang produziert. Gewinnt mit jedem Abspielen.


Asthma Choir – Laut aber herzlich

Der Nachteil meiner frühen Geburt: der ASTHMA CHOIR gestaltet sein „Spent my Life in Sugar Town“ als träfen sich Eugene (der mit der Axt) und King Crimson im Proberaum von Tool. Heftige Riffs der beiden Köpfe an Bass und Gitarre plus Synthies, unterstützt von Gast-Drummern und Leihstimmen. Erinnert mich an die psychedelischen Anwandlungen der frühen 70er, gepaart mit der extra-dynamischen Ausführung, die jüngere Metal-Ikonen popularisiert haben. Songstrukturen ja, aber nicht bindend! Nur 6 Titel, aber schon die Hälfte reicht, um die Ohren wieder frisch und offen zu machen. Laut, aber herzlich!


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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