Von Günter, 02.02.2022

ANAIS MITCHELL/ AIOFE O’DONOVAN/ COMBO CHIMBITA/ ROSA CEDRON/ MARIA MORAMARCO/ ATZKO KOHASHI & TONY OVERWATER/ PRAISE POEMS 8

Anais Mitchell – Gekonntes Handwerk

Ist weder Absicht noch Opportunismus, heute gibt’s viel Frauen-Power. Gleich 2 amerikanische Songwriterinnen beglücken uns mit neuen Werken. ANAIS MITCHELL (nicht verwandt..) schildert mit variabler Stimme in treffenden Worten reale Erfahrungen und Beobachtungen von kleiner Besetzung unterstützt und überzeugt durch zwar konventionelle Instrumentierung und Begleitung, aber gekonnt ausgearbeitete Harmonien. Wird Fans von Suzanne Vega sicher sehr gefallen.


Aiofe O‘Donovan – Introvertiert und raffiniert

Auch zum dritten Anlauf weiss ich nicht, wie m/f ihren Namen ausspricht: AIOFE O’DONOVAN betitelt ihr neues Album „Age of Apathy“. Sie sieht die Sache eher etwas poetisch, legt die Arrangements auch mal opulenter an und weiss ihre Stimme im richtigen Verhältnis zu Song und Thema wirken zu lassen. Raffiniert und beeindruckend baut sie Spannung auf und ab, erinnert mich dabei an die 70er Jahre Joni, bleibt allerdings überwiegend im ruhigen Tempo.


Wer bei COMBO CHIMBITA an Latin oder Karibik denkt, liegt nicht ganz falsch. Beheimatet in NY leben sie die karibischen Wurzeln, verwenden Salsa, Soca, Merengue, Reggae etc. eher abstrakt, führen sie in eine nächste Generation. Songs zum Widerstand gegen Unterdrückung und Ausbeutung, von Sängerin Olivera offensiv vorgetragen und von der Band sparsam aber intensiv untermalt. Das ist schon überzeugend, aber das Beste auf „Ire“sind die zwischendurch eingebauten Blues lastigen Soulnummern. Hören!

ROSA CEDRON’s „Nomade“ ist wieder eine, für die es keine Schublade gibt. Sie singt und spielt Cello, wird von unterschiedlich besetzter Band begleitet und bewegt sich forsch zwischen schwelgend instrumental, Prog Rock à la (ganz) frühe Genesis und herzergreifenden Balladen. Gelegentlich scheinen keltische Momente durch, jedoch ohne auch nur eine Sekunde in die Folk-Ecke zu schwenken. Für die persönlich Playliste: Estoy aqui.

Dafür ist diese absolut eindeutig Folk. Meist traditionelle religiöse Lieder aus der Region Bari. MARIA MORAMARCO singt sie mit kräftiger Stimme, die dabei von einer bunt wechselnden Mischung akustischer Instrumente getragen wird. Grossartiges Handwerk, Inhalt (Religion und Institution sind nicht so meins) verstehe ich zu wenig, Texte leider nur in Italienisch.

Für die Freunde und-Innen des wunderbaren Klangs kommt hier das Duett von ATZKO KOHASHI (p) und TONY OVERWATER (b). Ihr „Crescent“ wurde in der atemberaubenden Akustik einer Kirche aufgenommen, und die beiden nutzen diese Möglichkeit perfekt, in dem sie zurückhaltend und rücksichtsvoll miteinander in Tönen kommunizieren. Piano und Kontrabass in Symbiose.

BEIRUT bringt etwas Neues auf den Markt. „Archives“ enthält altes, wiedergefundenes und überarbeitetes Material. Viel Futter (2LP) für seine Fans, jedoch nicht unbedingt ein Fortschritt.

Praise Poems 8 – Wieder die volle Punktzahl!

Hier sage ich mal endlich! Zum Wochenende kommt die nächste „ PRAISE POEMS“, A Journey into soulful Jazz and Funk from the 70ies Volume 8, auf den Markt. Weitere 18 Songs und Grooves, von denen nur 2 bisher auf anderen Tonträgern zu haben waren. Smarte VokalistInnen, hervorragende Instrumentalisten, fetzige Bläser, trickreiche Rhythmen, mich wundert, wo und wie die Damen und Herren von Tramp Records diese Raritäten immer noch finden. Dazu gehören sicher Fleiss, Stehvermögen und, wie D. Fagen formulierte ‚Passion and Vision‘. Trotz vermutlich oder gerade wegen obskurer Quellen gibt’s am Sound nix zu nörgeln. Wie immer auf Doppel LP, CD und natürlich auch digital. Also ran!


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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