Von Günter, 07.09.2022

MISST.EU/ HE JINHUA/ TUBILAH/ YASMINE & PETER GILES/ SHULUQ ENSEMBLE/ BETTINA RUSSMANN QUARTETT

MISST.EU ist ein ungewöhnliches Gesangs-Quintett. 4 Frauenstimmen, dazu 1 Mann der auch Gitarre spielt. Die fünf sammelten auf ihren Reisen durch den alten Kontinent Europa Traditionelles aus den unterschiedlichsten Ecken. Überliefertes Wissen, Gedanken, Texte, die tief in der DNA der jeweiligen Region verwurzelt sind versehen diese fünf mit modernen Arrangements. Gesang, bevorzugt in mehrstimmig, musikalisch von Acapella bis dezent aber passend instrumentiert durch eingeladene GästInnen. Nicht nur für FreundInnen des Gesangs ein Ohrenschmauch.

Unterstellt hatte ich, es würde eine Herausforderung für meine westlichen Songvorstellungen sein, und war und bin überrascht, wie viele Gemeinsamkeiten mit traditionellen Klängen aus aller Welt sich auf „Songs oft he Naxi of Southwest Chuna“ finden. Sängerin HE JINHUA trägt den grössten Teil im Alleingang, nur mit Stimme vor. Auf wenigen Titeln untermalt sie die Titel, die ausschliesslich aus seit Generationen überlieferten Texten und Melodien bestehen, mit der Jawharp. Dazu am Schluss noch 2 Songs in modernerem Arrangement mit Piano bzw. Ukulele. Ist zugegeben sehr speziell, nichtsdestoweniger faszinierend….und kann es nur bei Smithsonian Folkways geben, mit dem üblichen, dieses Mal über 40 seitigen Booklet mit Texten und Informationen in Englisch.

Tubilah – Meditativ, emotional

Manche erinnern sich an Jörn Heilbut hoffentlich ‚nur‘ als Gitarrist der Jeremy Days. Für Geld bedient er auch hier nicht genannte andere. Unter dem Namen TUBILAH legt er mit „Upside Down“ seine erste CD ganz im Alleingang und nur mit akustischer Gitarre vor. Meditative Instrumentals mit warmen Melodien und raffiniert aber gut durchschaubaren Klängen der klassischen Konzertgitarre. Emotional und beruhigend.

Yasmine & Peter Giles – Yacht Pop?

Auf der Cover-Rückseite gibt es ein beeindruckendes Foto seines Studios, alte Bandmaschinen, analoges Mischpult etc. In der grossen Zeit dieser Geräte bewegt sich auch die Musik von YASMINE & PETER GILES. Sie singt, er macht alles andere, Instrumente und Aufnahme. Vor nicht allzu langer Zeit kursierte der Begriff Yacht Pop, dahin verordne ich „Insights“. Frühe Multi-Keyboards, dezente Drums und Perkussion, eingängige und einprägsame melodische Riffs, geschickte Rhythmus-Wechsel, Arrangements mit einem Schuss Jazz, gewürzt mit einer gelegentlich lasziven Frauenstimme. Ideale, wohlkingende Begleitung für Sonnenscheinwetter.

Das italienische SHULUQ ENSEMBLE, Trio mit Flöten, Saiten-Instrumenten und Perkussion sammelt auf „The Dream of Ibn Hamdis“ traditionelles Liedgut aus dem gesamten Mittelmeerraum. Vom Maghreb bis Malta, von Andalusien bis Sizilien. In respektvollen und extra sparsamen Arrangements hört m/f hier, wie regional spezifisch und doch basisverwandt die Überlieferungen klingen. Auf mehreren Titeln singt Karima Skalli Gedichte des genannten Ibn aus dem 12 Jahrhundert. Nur für entspannte Gemüter mit offenen Ohren.

Bettina Russmann Quartett– Meine Schönheit der Woche

Das BETTINA RUSSMANN QUARTETT mit Gastsänger Ken Norris überrascht mich mit seiner ungewöhnlichen Mischung aus zeitgemässem Jazz, einer gut integrierten Portion Groove und sogar etwas Rock Jazz. Die in Hamburg lebende Saxofonistin überträgt ihre weit gefächerten musikalischen Einflüsse in spannende Kompositionen, in denen auch Rhythmusgruppe und Piano ein wichtiges Wort mitzureden haben. Dazu noch Gitarre und Streicher auf einzelnen Tracks und ganz besonders Sänger Ken Norris, der nicht nur auf den beiden gecoverten Songs von David Bowie eine mehr als gute Figur macht. „Until Broad Daylight“ ist eine fulminante Reise durch eine jazzige Nacht und das musikalische Universum einer Komponistin und Texterin, die die sie umgebende Welt aufmerksam betrachtet und mit ihrer Musik und ihrem Instrument kommentiert. Meine Schönheit der Woche.

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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