Ohrenschmauch
Von Günter, 18.01.2023
IGGY POP/ JOHN CALE/ TEEMU VIINIKAINEN/ WILDES HOLZ/ PERICO SAMBEAT/ PHILIPP FANKHAUSER/ROOFMAN
Ist es ein gutes Zeichen, wenn sich gleich zu Jahresbeginn 2 aus dem Ältestenrat zu Wort melden? IGGY POP mit „Every Loser“, wütend und laut wie immer sagt mein Berater (bisher nicht selbst gehört, ich streame nicht) und JOHN CALE mit „Mercy“. Sehr lang und sehr getragen, beinahe sakral. In fast 70 Minuten betrachtet er die Gegenwart, resümiert seine/die Vergangenheit, lässt sich dabei von deutlich jüngeren KollegInnen unterstützen. Emotional und kritisch wie gewohnt bedient er sich dabei sowohl elektronischer Mittel der Klangerzeugung als auch an konventionellem Instrumentarium. „Noise of You“, Track Nr.3 gehört zu den innigsten Liebesliedern, die ich kenne. Mit jetzt 81 Jahren könnte dies sein Abschieds-Album sein.
Erst 1, ohne 2 dann 3 dann 4. So geht es hier weiter. TEEMU VIINIKAINEN legt mit „Songs of Silence“ seine Live im Studio und ohne Overdubs eingespielte CD für E-Gitarre solo vor. Fremdes Material, von Monk zu Sting, von Corea zu Ellington wohlüberlegt heruntergeschraubt auf seine 6 Saiten. Akribisch, dezent, stimmungsvoll, seine beinahe ambiente Reise durch die Welt der Vorbilder.
Den 3er stellen WILDES HOLZ. Als „Grobe Schnitzer“ verarbeiten sie Werke aus Rock, Pop und Klassik zu ihren ureigenen Versionen. Ob Ramones auf der Blockflöte oder Apache auf der Mandoline, die Harmonien bleiben, in den Arrangements für Bass, Gitarre und Blockflöte bekommen die allseits bekannten Titel eine ganz neue Farbe. Ist Live vermutlich noch unterhaltsamer, Tipp: Friedenskapelle MS, 1. April, zusammen mit den ZUCCHINI SISTAZ!
„Atlantis“ heisst das aktuelle Werk des spanischen Saxofonisten PERICO SAMBEAT mit seinem Quartett. Hier befeuern sich 4 exzellente Instrumentalisten mit melodischen und solistischen Ideen, verwässern jedoch nie das Thema der Kompositionen. Lyrisch rücksichtsvoll oder dynamisch aufdrehend definiert das Quartett seine Auffassung von zeitgemässem Jazz. Sentimentale Balladen, feurige Latin Rhythmen, freie Passagen, zusammengefügt zu einem trotz konventioneller Spiel-Auffassung absolut frisch und unverbraucht klingenden Album.
Eine Hommage an seinen väterlichen Freund und Mentor Johnny Copeland ist „Heebie Jeebies“ des Schweizer Gitarristen PHILIPP FANKHAUSER. 13 frühe Songs der Blues-Ikone, eingespielt mit 5 Kollegen an g,keys,sax,dr und b. Besonderes Kennzeichen der Songs sind das Standard-Blues-Schema ergänzende Zusatz-Akkorde, die Herr Copeland in seine Songs einbaute, womit er denen einen ordentlichen Schub in Richtung Soul verpasste. Dazu seine sehr persönlichen Texte, die von diesen harmonischen Erweiterungen passend unterstützt werden. Herr Fankhauser modernisiert nicht, macht nicht funky, was nicht funky ist, sondern hält sich eng an die überzeugenden Originale, setzt diese mit seiner Crew mit den (Aufnahme-) technischen Möglichkeiten des Jetzt in voller ‚Breitseite‘ um.
Selten aber wahr: Altmodische Rockmusik auf dieser Seite! Der ROOFMAN macht’s möglich. 2 Gitarren, Bass, Schlagzeug. Auch in dieser Formation lässt sich immer noch interessante Musik aufführen. Gekonnt kompakt arrangierte Songs, auf den Gesangsvortrag, nicht auf’s Gitarrensolo zugeschnitten, mit sinnhaften Inhalten und nie auf Melodie verzichtend. „Still the Mess I was“ erinnert mich an die Musik des Sugarman, Songwriter mit elektrischer Band, auch wenn die Hommage an ‚Wish you were here‘ (Fly off…) gegen Ende der Platte extrem positiv, aber ein wenig aus dem Rahmen fällt. Komplett analog aufgenommen in einem ‚richtigen‘ Studio macht allein der Sound der Platte schon die halbe Miete.