Ohrenschmauch
Von Günter, 25.01.2023
TOASAVES/ GHOST WOMAN/ BAD ENDS/ SWING GITAN/ HELGE LIEN & KNUT HEM/ KETIL BJORNSTADT, LAARS SAABYE CHRISTENSEN, ANNELI DRECKER/ JUKKA HAAVISTO/ VIVA DE ANDRE/ SINDRE KVALHEIM
Seinen Namen liest m/f kaum, aber Tristan Driessen zählt für mich zu den fleissigsten Musikern der letzten Jahre. Sein aktuelles Ensemble nennt er TOASAVES und bleibt auch in dieser 9er Besetzung seiner Vorstellung treu. Hier untersucht er die Verwandtschaft traditioneller flämischer Klänge mit Harmonien des Orients. Mit entsprechenden ‚Old School‘ Instrumenten, Hintergrundwissen und Leidenschaft. Allein schon wegen der handwerklichen Fähigkeiten der Beteiligten ist „Zwerver“ des Hörens wert.
GHOST WOMAN waren mir bisher kein Begriff. Mit „Anne, if“ legt Evan Unschenko bereits das 2. Werk seines Projekts innerhalb weniger Monate vor. Dabei durchstreift der Kanadier die amerikanische Rockmusik seit den 60ies. Von Garage über Surf & Twang, von Byrds zu CSN&Y zu Americana. Ohne zu kopieren, sondern die harmonischen und rhythmischen Elemente der Vorlagen zu seinem ganz eigenen Sound verarbeitend.
Der Musik der BAD ENDS hört m/f an, dass die Band um den ehemaligen R.E.M. Trommler Bill Berry formiert wurde. Klingt wie eine rockigere Version der genannten, schöne Balladen können sie allerdings auch.
Der Name lautet zwar SWING GITAN, und die Bezeichnung ist für die Musik der Geschwister Knappik plus Freund Winkler nicht ganz falsch. Mit Kontrabass, Gitarre, Klarinette, und dem Gesang der Schwester würde ich, auch wegen der französischen Texte, „Sur la Corde“ eher unter Musette einstufen. Leichtfüssig swingend trotz latenter Melancholie.
Wunderbare, beinahe ambiente Musik liefern am Piano HELGE LIEM & KNUT HEM an der Lap Steel Gitarre. Mit im Jazz geschulter Improvisations-Kunst, dem intuitiven Zusammenspiel und nicht zuletzt dem Zurückgreifen auf nordische Harmonien schaffen sie mit „Villingsborg“ einen perfekten Soundtrack für den Spaziergang nach innen.
Klingt beinahe nach klassischem Liedgut, was KETIL BJORNSTADT, LAARS SAABYE CHRISTENSEN, ANNELI DRECKER mit „Between Hotels and Time“ vorlegen. An der Realität orientierte Gedichte von Laars singt Anneli emotional überzeugend und wird dabei von Ketil sparsam aber melodieverliebt unterstützt. Nix Pop! Kunst & Kultur.
Zugegeben; ein wenig aus der Zeit gefallen, nichtsdestotrotz handwerklich und musikalisch raffiniert spielt das elektrische Quartett um dem Bassisten JUKKA HAAVISTO Rock-Jazz. Auf „Reflections“ lassen die vier Herren die goldenen Zeiten von z.B. Return to Forever am geistigen Auge (Ohr!) vorbei ziehen und bestellen beste Grüsse an Jakko.
Unter der Leitung von Autor Luigi Viva und Arrangeur Luigi Masciari entstand „VIVA DE ANDRÉ“ als Hommage an den bekannten italienischen Sänger, Komponisten und Jazz-Fan Fabrizio de André. In wechselnd grossen Besetzungen wurden 10 Titel aus dem Schaffen des Cantautore mit einem Jazz-Gewand versehen, an dem der Komponist sicher auch Gefallen gehabt hätte. Bekannte Themen, instrumental, mit Respekt, Herzblut und ganz viel Melodie. Nicht nur für ItalienerInnen!
Noch ein Nordlicht. Dem hört m/f seine Vorlieben sehr deutlich an. SINDRE KVALHEIM’s „Searching“ klingt durchweg nach der grossen Zeit des US-Westküsten Rock/Pop. Perfekt arrangiert und eingespielt, immer eine Prise Soul und Funk (aber dezent!) unterlegt und mit den jeweils zum Song passenden SängerInnen garniert. Von J. Browne bis Toto scheint alles durch, was ihn in seinem Leben beeindruckt hat. Als überzeugendem Bonus ist dem Album gleich noch eine Live CD beigelegt, die deutlich zeigt, dass exzellentes Handwerk nicht nur nach Studio-Stückelei vorzeigbar ist.