Von Günter, 15.02.2023

JAMES BRANDON LEWIS/ FESTLAND/ PHILIP CATHERINE & NICOLAS FISZMAN/ JILL BARBER/ JOHANNES ENDERS/ SIMONE KOPMAJER

James Brandon Lewis – Frei und ungezwungen

Als erste die schwerste. Das muss m/f hören wollen, sich auseinander setzen. Saxofonist JAMES BRANDON LEWIS‘ „Eye of I“ lebt den Free Jazz. Sein Trio mit Drums und Cello durchlebt im wahrsten Wortsinn die Musik. Es demontiert bekannte Muster, lässt bruchstückhaft Melodiefetzen durchscheinen, klingt wild und ungezügelt, und doch folgt es einem inneren Kontinuum. Die ungewöhnlich besetzte Rhythmusgruppe fertigt den Klangteppich, den soliden Untergrund, auf dem der Bläser seine Tonkaskaden, Riffs und melodischen Kurzausflüge gestalten kann. Von ungestüm zu abstraktem Blues, von Meditation zu kräftigem Rock am Ende der Platte, wenn die ‚Messtethics‘ zum Einsatz kommen.

Festland – Art for Art‘s sake!

Das krasse Gegenteil bietet das Essener Trio FESTLAND. Mit sparsamstem Instrumenten-Einsatz und sanftem, teils mehrstimmigem Gesang präsentiert es die lyrischen Texte des Malers, Zeichners und Texters Fabian Wernicke, der bereits 2012 verstorben ist. „Hippies“, das bereits 3. Werk auf dieser Basis, ist entsprechend kunstvoll ausgestattet. Um auf die Nähe von Bildender Kunst zu Musik mit dem Zaunpfahl hinzuweisen, stellt die Combo ihre Musik zusammen mit der Ausstellung von Werken des Künstlers landesweit in Museen oder Galerien vor.

Für die Saitenfans kommt in der Reihe ‚Lost Recordings‘ ein Schätzchen auf den Markt. PHILIP CATHERINE & NICOLAS FISZMAN „Live at the Berlin Jazzbühne Festival 1982“ zeigt 2 inspirierte Gitarristen, die über vorweg nur knapp umrissene Ideen improvisieren, wie sie Spontanität, Fantasie und die Finger den Rest erledigen lassen. Vom Alter wie Vater und Sohn, am Instrument nicht festzustellen. 8 z.T. sehr lange Tracks in denen die zwei ihrer Spiellaune freien Lauf lassen können.

JILL BARBER taucht mit schöner Regelmässigkeit auf dieser Seite auf. Auch wenn die Musik auf den ersten Blick eher simpel und unscheinbar daherkommt, ihre spezifische Mischung aus Country-Feeling und Singer/Songwriter-Charme mit ausgesucht passender Instrumentierung kann ich immer wieder hören. Dazu ihre leicht heisere Stimme und Songs mit flüssigen Akkord-Folgen und Harmonien. „Homemaker“ ist kein Aufreger, aber eine weitere kleine Perle in ihrer Diskografie.

Johannes Enders – Tribut an Sonny Rollins

Seinen persönlichen Tribut an Sonny Rollins gestaltet Saxofonist JOHANNES ENDERS im Trio mit Henning Sieverts am Bass und Jorge Rossy an den Drums. Sein „Sweet Freedom“ besteht je zur Hälfte aus eigenen Kompositionen und Werken des Grossmeisters. Wobei eigentlich nur eines von Enders allein stammt. Die vier weiteren sind Adaptionen, Kombinationen, Variationen von Titeln des Tenor-Giganten, die er geschickt miteinander verwebt und gleichzeitig ein kleiner Hinweis auf den Humor, mit dem das Trio zu Werke geht. Ob lyrische Ballade oder uptempo Bop, der Bassist liefert swingenden Untergrund, der Drummer gibt dem Zug Richtung und das Saxofon liefert Melodie, Harmonie und fliegende Improvisation.

Ausgesprochen fleissig die singende Dame, Platte Nummer 11 in 20 Jahren. Mit ihrem derzeitigen Quartett erobert SIMONE KOPMAJER auf „With Love“ ein Dutzend Klassiker der in und out of Love Songs, dazu zwei eigene Titel. Sax, Piano, Bass und Drums, auf einzelnen Tracks von Gitarre oder dezenten Streichern verstärkt, liefern den wohlsituierten Background für ihre wandlungsfähige Stimme. Songs aus Musical, dem American Songbook oder Country, mit ihrer samtenen Stimme macht sie aus einem bunten Strauss ihre ganz individuelle Variation. Gelassen, gekonnt, gelungen.

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