Von Günter, 23.11.2011

NEW YORK SKA JAZZ ENSEMBLE/ ANTWERP GYPSY ORKESTRA/ MAD PROFESSOR/ ANE BRUN/ ENJOY JAZZ Vol. 3/ JENNY EVANS/ BUIKA

Schön, das sich endlich eine neue ‚Sau‘ gefunden hat, die das Volk von den verheerenden Nachrichten aus der Welt der Finanzen ablenkt. Zumindest für ein paar Tage. Der nicht enden wollende Schrecken kommt so oder so.
Auf dieser Seite gibt es wieder die ganz andere Variante, sich für begrenzte Zeit aus dem Alltag zu stehlen. Zunächst etwas für Freunde des flotten Tempos. Das NEW YORK SKA JAZZ ENSEMBLE kommt mit „Double Edge“ bereits bei Album Nummer 10 (wenn ich richtig gezählt habe) an, ohne dass eine größere Öffentlichkeit etwas bemerkt hätte. Dabei ist deren Mix aus 70er Jahre Reggae, jamaikanischem Ska und gelegentlich ordentlich jazzigen Bläsersätzen und Instrumental-Einlagen äußerst eingängig. Aber ohne Radio- und Fernseh-Unterstützung bleibt m/f heute nur Insidern bekannt.

Jahreszeiten der Liebe

Ähnlich wird es dem ANTWERP GYPSY SKA ORKESTRA mit seinem 2 Album „I Lumia Mo Kher“ (kann mir das jemand übersetzen?) gehen. Das mischt statt Jazz eine ordentliche Portion Balkan-Power in die Arrangements, beherrscht die SHANTELsche ‚Balkan Disco Polka‘ so gut, wie den uptempo Two Tone Ska der britischen Insel. Gemeinsam haben die beiden Platten, dass sie trotz ordentlicher Spielzeit viel zu schnell zu Ende gelaufen sind.


Ruhig und souverän

Ein Verrückter, der sein Markenzeichen bereits im Namen kundtut ist der MAD PROFESSOR. Für sein aktuelles Werk hat er mit FRENTE CUMBIERO aus Kolumbien zusammengearbeitet und dem grassierenden Cumbia-Hype schon früh seine Version hinzugefügt. Wenn sich der gleichmäßige Cumbia-Groove mit den langsamen Dub-Tempi des GOTAN PROJECT’s gut verträgt, dann kann man den eigentlich schleppenden Beat des Reggae auch auf Cumbia-Modus schrauben. Und wenn einer sowas überzeugend hinkriegt, dann der MAD PROFESSOR. Ganz sicher keine große Kunst, aber erstklassige Unterhaltung und viel Sonnenschein ‚aus den Rillen (Bits)‘.


Doppelt, gut!

Neu im Geschäft ist ANE BRUN ganz sicher auch nicht. Ein gutes halbes Dutzend Werke gab es schon vor „It all starts with one“, auch sie ist trotzdem nur einem kleinen Kreis von Interessierten wirklich geläufig. Ich kenne die Vorgänger nicht gut genug für einen korrekten Vergleich, aber „It all starts..“ ist hervorragend produziert, ihre Songs sind nach wie vor komplex, aber in diesem Fall durchaus eingängig und strahlen, selbst wenn sie etwas Tempo macht, große Ruhe und Souveränität aus. Stabilisiert Geist und Seele im trüben November-Nebel.


4 Wochen nach Veröffentlichung sollte die 3. Ausgabe des „ENJOY JAZZ“ Samplers, der das gleichnamige Festival für ‚Jazz und anderes‘ zumindest Ansatzweise akustisch vorstellt (oder auch nachbereitet..) endlich in den Läden auftauchen. Unterschiedlichste Vorstellungen und Varianten (total 14) von vielem, dass gerechtfertigt als Jazz bezeichnet werden kann zu einer, trotz großer Bandbreite, flüssig hintereinander zu hörenden, bunten und spannenden Reise durch physische und psychische Territorien zusammengefügt. Übermorgen (am18.) ist bereits das letzte Konzert dieser Reihe, dieser Sampler zeigt schön, was wir hier im Norden wahrscheinlich verpasst haben.
Wundervoll fein arrangiert und sehr schön ‚warm‘ klingend präsentiert sich die neue CD von JENNY EVANS. Mit neuer Band und neuem Programm, „The Four Seasons of Love“, schlägt sie, sicher eine der führenden Jazz-(Jazz!) Sängerinnen Europas, das nächste Kapitel ihrer Karriere auf. Jazz-Standards, aus dem klassischen Bereich adaptierte Kompositionen, vertonte Gedichte und ein Eigengeschöpf zu einem kurvenreichen Spaziergang durch die Jahreszeiten der Liebe zusammengefasst und überzeugend intoniert. Kein bisschen modisch aufgepeppt und deshalb zeitlos modern.

Ohne jede Absicht ist es heute schon wieder eine beinahe nur Frauen-Seite geworden. Aber die nächste darf ich auf keinen Fall länger verschweigen. In RADIO GRENZENLOS schon vor vier Wochen vorgestellt, aber erst seit einer knappen Woche in den Läden steht die ‚Best of‘ CD von BUIKA. Aus ihren bisher 3 Platten hat sie für „En mi Piel“ ihre Favoriten ausgesucht, ein paar frische Live-Aufnahmen vom NORTH SEA JAZZ FESTIVAL und all ihre Duette plus Soundtrack-Beiträge dazu gepackt, und schon war es ein Doppel Album. Wie soll ich‘s beschreiben? Gebürtige Afrikanerin, in Spanien lebend singt ihre Variante Flamenco, zusammengesetzt aus eigener Tradition, den Einflüssen ihres Gastlandes und Latin-Rhythmen. Das liest sich jetzt sehr viel ungestümer, als sie es hochemotional vorträgt. Mit dieser Musik zieht m/f sich maximal zu zweien aus der profanen Welt des ‚Geld verdienen müssens‘ zurück. Zum Glück ist dieses Album doppelt lang. Unbedingt empfehle ich auch „El ultimo Trago“, ihr letztes Werk aus dem Studio, fast nur begleitet von der kubanischen Piano-Legende CHUCHO VALDES. Wer sich das nicht vorstellen kann, oder es nicht glauben mag, ist eingeladen, ab sofort Samtags zwischen 11 und 15h in der BREITEN GASSE 1 dieses zu überprüfen. Optisch und akustisch. Na Dann. Tschüss! i.m.trend@muenster.de

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