Von Günter, 27.06.2012

MUSIKaPOTHEKE/ KELLY HOGAN/ HOLMES/ IMANY/ FRANKIE CHAVEZ/ PITCH & SCRATCH/ GARE DU NORD

Aufgepasst! Die erste Halbzeit ist um. Das bezieht sich jetzt nicht mal auf das augenblickliche Giga-Werbe-Event mit Lederballzugabe. Nächste Woche um diese Zeit ist die Fähnchen-Seligkeit vielleicht schon wieder vorbei. Nein, das halbe Jahr ist schon wieder Vergangenheit. Trotz gegenteiliger Denkmodelle sieht es aber so aus, als gäbe es zumindest bis zum Jahresende noch neue LP und CDs. Hier kommen meine aktuell hörenswerten.

KELLY HOGAN ist für mich bisher ein unbeschriebenes Blatt. Mit „I like to keep myself in Pain“ legt sie ein zwar im Grunde eher konservatives Singer / Songwriter Album mit starkem Country Einfluss vor, doch ihre vielseitige Stimme hebt das Werk deutlich aus der Masse hervor. Der Titel lässt die überwiegende Moll-Stimmung schon ahnen, aber sie leidet nicht einfach an ihrem Schmerz, sie verarbeitet ihn in mindestens 8 tollen von 13 Songs. Kleine Flirts mit Blues oder Pop inbegriffen.

Tolle Stimme, tolle Songs!

Der nächsten kann problemlos das Etikett ‚Americana‘ angeheftet werden. Allerdings kommen HOLMES aus Schweden. „Burning Bridges“ hat in etwa die Langsamkeit von SPAIN und Stimme und Gestus des ganz frühen Solo NEIL YOUNG. Sehr einfache, flüssige Harmonien, wohlüberlegter Instrumenten-Einsatz und eine sehr durchsichtige, warme Produktion lassen die Platte nie aufdringlich wirken. Selbst die Melancholie des Sängers kann den positiven Eindruck dieser CD (auch LP) nicht trüben.


Die dritte eher langsame Platte dieser Woche: IMANY „The Shape of a broken Heart“. In Frankreich lebende Afrikanerin mit für dieses Album großartig besetzter Band. Ernsthafte Sängerin, sehr persönliche Texte, stimmlich etwas an die frühe TRACY CHAPMAN erinnernd und perfekt auf sie zugeschnittene Arrangements. 12 sanfte aber sehr eindringliche Perlen auf einem der wohl gelungensten Debut-Alben der letzten Zeit.

Vom Hamburg Hustle zum neuen-Funk

Nicht in jeder Generation fällt ein neuer RORY GALLAGHER irgendwo aus dem Baum. Ich hoffe, mit diesem sicher noch nicht ganz passenden Vergleich trete ich FRANKIE CHAVEZ nicht zu nahe. Sein „Family Tree“ erinnert mich frappierend an das erste RORY Solo Album. Elektrische und akustische Gitarre, kurze prägnante Riffs und nur nicht zu viel Produktion. Echt und gerade heraus soll es klingen. Ob aus eigener Feder oder „Dust my Broom“, dieser junge Portugiese(!) weiß, wie er es will. Harmonika, Bass, Drums macht er zum großen Teil selbst, plus diverse unterschiedliche Gitarren und nur, wenn nicht vermeidbar noch das eine oder andere Instrument dazu von einem Freund. Für Blues beinahe zu viel Rock-Power, für Rock zu nahe am Blues. Mehr als sehr ordentlich!


Ich fang schon mal an, die etwas clubbigere Seite der nächsten Woche vorzubereiten. Mit dem Hamburger Duo plus Gästen PITCH & SCRATCH. Könnte m/f flüchtig gehört aburteilen unter Retro 70ies Funk und läge nicht falsch. Aber „Together“ ist mehr! Ausgeklügelte Grooves von P-Funk bis Hip Hop, fette Bläsersätze, Bass so dick wie BOOTSY und, neu bei den beiden, ausgesuchte Fremdstimmen. So machen sie aus Ideen, die tief in den 70ern baden, Kneipen-, Club- und Zuhause-Sounds des neuen Jahrtausends. M/F hört sie nicht, die geliebten Vorlagen von früher, m/f spürt nur, dass PITCH & SCRATCH sie auch lieben und damit eine nächste Welle generieren.

Soundtrack Noir!

Nach knapp 7 Monaten schon wieder eine neue GARE DU NORD? Ja, und wie! Waren die letzten beiden Alben eher auf den Song und die Sängerin zugeschnitten, gehen sie für „Rendezvous 8:02“ eher an den Anfang ihrer Karriere zurück. Coole Blues-getränkte und Jazz-orientierte, durchkomponierte ‚Jams‘. Verfremdete, meist sprechende Stimmen aus dem Off, ERIC TRUFFAZ an der Trompete steckt im Fahrstuhl zum Schafott und aus „Pablo’s Blues“ wird ein gebremst groovender Westcoast-Swing. Dieses Rendezvous ist einfach etwas mehr Spielwiese, auf der sie ihre Faibles ausleben und uns damit so etwas, wie einen Soundtrack für die produktive Zeit, in der wir nichts schaffen, liefern. Und was für ein Sound! Natürlich auch auf LP.


Das alles kann m/f ansehen und anhören und sogar kaufen in jedem gut geführten Plattenladen, wahrscheinlich auch im Internet, aber ganz sicher am 7.JULI und dann an jedem 1. Samstag („Langer Samstag“) im Monat von 11.00h bis 15.00h in der BREITEN GASSE 1, Anzeigenannahme der NA DANN, wo die MUSIKaPOTHEKE ihre Tür öffnet und noch ganz andere „Schätze“ ans Licht des Tages zerrt. Ich hoffe, wir sehen uns da!
Na Dann. Tschüss! i.m.trend@muenster.de

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