Von Günter, 05.09.2012

SAOCO/ FLORIAN WEBER/ ROYAL SOUTHERN BROTHERHOOD/ DJANGO DELUXE/ ADRIAN SHERWOOD

Kein platzraubendes Intro, sofort ins Thema. Nicht nur für gut trainierte SpezialistInnen ist das Doppel-Set „SAOCO“- The Bomba and Plena Explosion in Puerto Rico 1954-1966 ein überraschendes Wiederhören von Melodien, Rhythmen und Bläserriffs, die m/f vor allem von erheblich jüngeren Aufnahmen kennt. Ich bin kein Musikhistoriker, was ich hier höre, setzt sich zusammen aus Zutaten aus Mariachi, Cumbia, kubanischen Sones und einigem, das ich nicht genau beziffern kann. Die Tonqualität ist gelegentlich ‚authentisch‘ (siehe Baujahr!), aber Dynamik, Spielfreude, Tempo und Ideenreichtum lassen keine Wünsche offen. Zum Teil raffiniert arrangiert, so dass es für mich jetzt keine Überraschung mehr ist, das viele gute (spätere) Salsa-Platten und -Musiker von dort kamen und kommen.

Gipsy Swing für alle

Zu einer ganz anderen, aber nicht minder bunten Mischung von Klängen und Vorstellungen. FLORIAN WEBER, sein Rhodes E-Piano plus Bass und Schlagzeug, dazu LIONEL LOUEKE an der Gitarre präsentieren „Biosphere“. 10 Titel, sowohl eigene, als auch Fremdkompositionen, akustischer Rock-Jazz. Komplexe Rhythmen, an denen der MAHAVISHNU seinerzeit auch Freude hatte, komplizierte unisono Linien, wie sie uns ZAPPA regelmäßig anbot, ruhig melodiös zwischendurch und sehr harmonisch. Eben zeitgenössischer Jazz, der weniger nach dem beliebten Glas Wein, als vielmehr nach gezielter Aufmerksamkeit schielt. Selbst die Adaptionen von COLDPLAY und CLAPTON Titeln geraten nicht zu sehr in Richtung Bar. Nicht für alle gut, aber für die richtigen Spitze.


Allman, Neville, Zito….

Zugegeben, im 1. Anlauf an mir vorbei gerauscht ist die CD der ROYAL SOUTHERN BROTHERHOOD. Weil der Name Programm ist, braucht das Album keinen Titel. Ein ALLMAN- Sohn, CYRIL NEVILLE und weitere 3 Verwegene spielen eine gekonnte Mischung aus NEVILLE BROTHERS, LITTLE FEAT und der rockenderen Seite der ALLMAN BROTHERS. Wenn es gelegentlich schwerblütig rockt, fasziniert es mich bei weitem nicht so, als wenn sie (überwiegend!) in langsameren Tempi die Mischung aus New Orleans R’n’B und südstaatlichem Soul mit fettem Groove aus den Lautsprechern quellen lassen. Feist aber frisch!


Der Magier der Klänge

O.K., Gipsy Jazz kann nicht aus Hamburg kommen. Urteil steht. Bis m/f DJANGO DELUXE gehört hat. „Wilhelmsburg“, nach ihrem Domizil in der Hansestadt, nennen sie ihr Debut. 3 WEISS Brüder und 1 REINHARDT, in dieser Musik keine unbekannten Namen swingen sich zurückhaltend aber sehr versiert durch 10 nicht nur Gipsy-Standards und ein Eigengewächs, demonstrieren Klasse ohne dabei auch nur ansatzweise ihr Handwerk aufzudrängen, ergänzen schon mal durch Piano oder Saxofon, lieben offensichtlich das langsame Tempo und schieben damit ihre köstliche Musik aus dem reinen Gitarren-Ghetto auf einen hell erleuchteten neuen Platz. Sehr schön, hier darf der Wein dann kommen…


Über den nächsten kann ich nichts mehr schreiben, das nicht schon gesagt wäre. Seit über 30 Jahren kreiert er für Pop-Größen und Underdogs seinen unnachahmlichen Sound. Gemischt aus fast allen Facetten des Pop- und World Music -Universums, seltsamen elektronischen Geräuschen und ganz viel Dub, eine Melange, die niemand sonst auf diesem Planeten hinzaubern könnte. Dabei ist „Survival & Resistance“ erst ADRIAN SHERWOOD‘s 3. Solo-Album! Wer nach dieser Kurzbeschreibung glauben mag, die Musik sei Schroff und abweisend, ist absolut im Irrtum. Trotz gewagter Experimente, unerwarter Instrumentierung und eigenwilliger Mischung bleibt der Sound immer eher zurückgenommen und sanft. Der wirbelt nicht mit der Keule, sondern schleicht sich ganz sensibel das Rückgrat hinauf und nimmt nach und nach auch die letzten verbliebenen Gehirnzellen in Beschlag. Wieder eine der exzellenten Platten, die sich nicht durch ‚skippen‘, sondern nur durch das Hören im Zusammenhang erschließen. Und nix ‚Art for Art’s Sake‘, auch ohne Zeigefinger kommt sein kritischer Blick auf die Lebensumstände dieser Zeit nicht zu kurz. Mit dringender Bitte um Kenntnisnahme. An alle.

Das alles kann m/f ansehen und anhören und sogar kaufen in jedem gut geführten Plattenladen, wahrscheinlich auch im Internet, aber ganz sicher am 6. Oktober und dann an jedem 1. Samstag („Langer Samstag“) im Monat von 11.00h bis 15.00h in der BREITEN GASSE 1, Anzeigenannahme der NA DANN, wo die MUSIKaPOTHEKE ihre Tür öffnet und noch ganz andere „Schätze“ ans Licht des Tages zerrt. Ich hoffe, wir sehen uns da!
Na Dann. Tschüss! i.m.trend@muenster.de

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