Von Günter, 23.12.2020

VAN DE FORST/ IRIE MYAH/ FLORIAN ROSS & WDR BIG BAND/ CHRISTOPHE SCHWEIZER/ LEYLA MCCALLA/ LONG TALL JEFFERSON

Heft Nummer 52, die allerletzte Chance auf dieser Seite gegebene Versprechen einzuhalten. Die in na dann… 39 vorgestellte CD „Unconditional“ der münsteraner Country-Pop Sängerin VAN DE FORST gibt es ab sofort auch als limitierte Auflage in weissem Vinyl. Genuss für Ohr und Auge.

Dub aus dem sonnigen Münster

Plattenspieler läuft wieder (ist ein störrischer Brite..).endlich habe ich die „Dub Conference“ LP von IRIE MYAH hören können. 10 Tracks aus dem inzwischen umfangreichen Schaffen des Herrn Meier in amtlich demontierten Mixes. Wer Dub sagt, muss auch ordentlich Bass und Drums abliefern. Und das tun die 5 Teams oder Sound-Männer. Je 2 Tracks haben sie vom grössten Teil der Gesangsspur befreit und durch eigene Hall-, Instrumenten- und Soundeffekte ersetzt, verlegen Betonung und Gewicht nach ihren subjektiven Vorlieben. Einen neuen King Tubby oder Lee Perry habe ich nicht entdeckt, aber einen nicht so kleinen Club von Menschen, die diese Variante Reggae verstehen und leben, im Sonnenschein (..) unserer norddeutschen Tiefebene.


Gefühlt, nicht recherchiert, war die WDR Big Band trotz begrenzter Auftritts-Möglichkeiten extrem fleissig, was Veröffentlichungen auf CD angeht. Müssen nicht alle in diesem Jahr aufgenommen worden sein, diese hier aber auf jeden Fall. FLORIAN ROSS & WDR BIG BAND „Front & Center. Zeitgemässe Musik extra komponiert für diesen grossen Klangkörper. Beginnt fulminant und komplex hinter und herum um das Sax-Solo von Paul Heller. Schon der nächste Titel startet beschaulicher mit Piano und gestaffelten Bläsersätzen auf swingendem Untergrund. Im Verlauf der Platte wird es gelegentlich sogar funky, so dass bei mir Erinnerungen an P. Herbolzheimers Vorstellung von ‚Big Band heute‘ auftauchen. Ausgereifte Kompositionen und exzellente Solisten. Eben Big Band heute.

Im Quintett liefert CHRISTOPHE SCHWEIZER mit „Stream“ ein Album von zeitloser Schönheit. Posaune, Sax, Piano, Bass und an den Drums der mittlerweile 80 jährige Billy Hart. Alle fünf agieren zurückhaltend, geben den Kollegen, besser deren Tönen, Raum. Vielfältig gestaltete Melodieverläufe mit emotionalen Soli, die die Energie dieser Combo durchscheinen lassen.

Genial einfach, einfach genial

Grandiose Idee bei Smithsonian Folkways das 2014er Album von LEYLA MCCALLA „Vari-colored Songs“ neu aufzulegen. Mit minimaler Ausrüstung (Banjo, Cello, Gitarre..) mischt sie Musik der Kreolen (Eltern stammen aus Haiti), und der Cajuns mit nordamerikanischem Folk, Blues und Jazz. Neu / selbst Arrangiertes aus der Region der Eltern und selbst gefundene Melodien und Harmonien zu Texten von Langston Hughes zum Thema Gleichberechtigung / Gleichbehandlung. So genial wie einfach, so spannend wie einprägsam.


Long Tall Jefferson

Zum Jahresfinale wunderschön leichte Kost aus der Schweiz. LONG TALL JEFFERSON findet auf seinem 3. Album den Weg aus der Indie-Folk-Falle. Einprägsame Songs, fliessende Harmonien mit leicht melancholischer Stimme gesungen. Alle Instrumente spielt er selbst, von wenigen Ausnahmen abgesehen, mischt ausser der ‚Heart of Gold‘ Mundharmonika von Herrn Young dezent elektronische Elemente ein, mal deutlich als Taktgeber oder auch zur Untermalung der Melodie. „Cloud Folk“ nennt er seinen gefundenen Stil. Keine grosse Geste, lieber eine kleine Perle.


Allen Leser*innen wünsche ich eine entschleunigte Jahresendzeit!

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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