Von Günter, 15.06.2016

BOB DYLAN/ TWIN DANGER/ JAYHAWKS/ THYLACINE/ DENITE/ XENIA RUBINOS/ DANI SICILIANO/ BRISA ROCHÉ/ DANIELLE DE PICCIOTTO & ALEXANDER HACKE

Nur Dylan singt Dylan wie Dylan, heisst es. Und was ist wenn er nicht Dylan ‚singt‘. Dann überzeugt BOB DYLAN, wie auf „Fallen Angels“ durch seine auffallend profunde Kenntnis der amerikanischen Musik des letzten Jahrhunderts, sucht daraus ein Dutzend echter Perlen und packt sie in ungewohnt einfache Arrangements. Singen kann er genau so wenig, wie MARLENE DIETRICH, aber in der Interpretation können beide überzeugen.

Elegant und best produziert

Dass er ein geschickter Arrangeur und austrainierter Saxofon-Spieler ist, hat Stuart Matthewman immer wieder auf den Alben von SADE unter Beweis gestellt. Sein aktuelles Projekt „TWIN DANGER“ greift in Stimmung und Tonfall sehr weit zurück. Fast nur langsame Tempi und dazu Bläser, deren Satz mich stark an 40er Jahre Big Bands erinnern plus eine Sängerin, die ein wenig klingt, wie Heidi Happy auf dem letzten Album von Yello. Alles sehr dezent, unaufgeregt und gerade deshalb eine Ohrenweide.


Weil sie zu Recht immer noch viele Fans haben, lobe ich hier das neue Werk der JAYHAWKS. „Paging Mr. Proust“ enthält ein ganzes Bündel feiner County-Rock Songs, dieses Mal mit illustrer Hilfe eingespielt. Sehr hörenswert.

Pfiffige Idee, sein Album während einer Reise mit der Transsibirischen aufzunehmen. Digital geht alles… Eindrücke der Landschaft direkt in Melodien und Rhythmen umsetzen und dazu Originaltöne und Gesänge entlang der Strecke mit einzubeziehen. THYLACINE’s „Transsiberian“ is keine musikalische Grosstat, eher gepflegte Chill-House-Beats und einprägsame Harmonien für die Entspannungsphase.

Ein wenig mehr Tempo gibt der Spanier DENITE seinen Programmier-Ausflügen mit. Und richtige Gesangspassagen, sodass sein „Everything I know… beinahe auch im Regal unter ‚Pop‘ stehen könnte, wären da nicht seine zwischenzeitlichen Ausflüge in Klangexperimente und Deep-Housige Bereiche.

Hip Hop ohne Goldkettchen

Richtig experimentierfreudig zeigt sich XENIA RUBINOS auf ihrem ‚Black Terry Cat‘. Hip Hop der alten Schule, mit ‚richtigen‘ Instrumenten, dazu eine mehr jazzige Herangehensweise an Rhythmus und Aufgabenverteilung der Musiker. Kein Zwang zum durchgehenden Groove, kein erzwungenes ‚reim Dich oder ich fress Dich‘ und absichtlich luftig gelassen im Sound. Hat starke Parallelen zum ersten Album von ERYKHA BADU.


Pop ohne Pop!

Bei ihr muss ich das nicht dazu sagen. DANI SICILIANO ist Experiment. Da macht auch das neue Album ohne Titel keine Ausnahme. Ungewöhnliche Klangbegleitung, ausgefallene Instrumente oder Sounds und einfach klasse Gesangslinien. Das liest sich sperrig, klingt aus den Lautsprechern aber sehr viel wärmer und nachvollziehbarer. Ist gekonnte Pop Musik ohne den ‚ich will gefallen‘ Faktor. Das gefällt, weil’s gut und echt ist.


BRISA ROCHÉ lässt sich auch in keine Schublade pressen. Nach 6 Jahren Pause legt sie mit „Invisible 1“ ein Chamäleon von neuer Platte vor. Zusammengehalten durch ihren sehr individuellen Gesang geht es mit ihren neuen Songs durch die Gefilde Elektro-Pop, Sixties Harmonien und sogar Funk. Oder kurz gesagt, vom verspielten Kate Bush- bis zum schläfrigen Mazzy Star- Sound mit Ausflügen nach links und rechts. Schön anders!

Und dann ist da noch das Gesamtkunstwerk DANIELLE DE PICCIOTTO & ALEXANDER HACKE. Es war ein langer Weg von der LOVE PARADE (sie) und den NEUBAUTEN (er) zu „Perseverantia“. Stehvermögen, so übersetze ich den Titel, braucht es sehr viel, mit einem solchen, nicht auf optimale Vermarktungsmöglichkeiten angelegten Konzept in dieser Zeit zu überleben. Klangmalereien fast ohne Rhythmus, sowohl elektronisch, als auch konventionell erschaffen, schon allein deshalb fast überzeugend, weil sie sie wagen. Die kann m/f niemandem empfehlen, darauf muss aber einfach hingewiesen werden. Die Chance, sie danach für sich zu entdecken, sollte jedem/r gegeben werden. Hut ab vor solchen Künstlern.

na dann... Tschüß!

i.m.trend@muenster.de

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