Von Günter, 05.04.2017

CHARLY CUNNINGHAM/ SEAN ROWE/ STONE FOUNDATION/ CHINA MOSES/ ORCHESTRA BAOBAB/ TALE OF US

Schadenfreude ist die reinste Freude… Am Ende 3500€ (plus X) zahlen für den illegalen Download einer CD, die in jedem Baumarkt für maximal 8€ zu kaufen wäre. Mann sollte sich häufiger in Plattenläden herumtreiben. Frau auch!

Sänger / Songschreiber gibt es sicher wie Sand am Meer. Nicht viele stechen mit ihrem Werk aus der Masse heraus. Wie z. B. CHARLY CUNNINGHAM, der am vergangenen Mittwoch hier sein erstes Langspielalbum „Lines“ vorstellte. Kleines ‚Besteck‘, ganz intime Songs, entsprechend emotionaler Gesang und dazu noch echt virtuos auf der Konzertgitarre. Für die ruhigen Stunden allein.

Mit der gleichen Intensität und Sparsamkeit trägt SEAN ROWE seine 10 neuen Songs, es ist bereits seine 4. Platte, auf „New Lore“ vor. Stimmlich vielseitig, von tief und rau bis zur Kopfstimme, musikalisch auf das Wesentliche reduziert. Akustische Gitarre, ein wenig Piano und noch weniger andere Instrumente. Wenn schon mal Band, dann kurz und intensiv. Und trotzdem keine Längen, von Track zu Track bleibt m/f gespannt, mit wie wenig wie viel Ergebnis zu erreichen ist.

Best british Soul

Instrumental und auch personell ist auf den „Street Rituals“ der STONE FOUNDATION erheblich mehr los. Mit Unterstützung von Betty Lavette, William Bell und nicht zuletzt Paul Weller (der auch produzierte) positionieren sich die Herren als eine der führenden britischen Soul Bands der Zeit. Die kopieren nicht, lassen sich auch nicht einfach als ‚Retro‘ etikettieren. Der Vergleich zu Al Green liegt nicht fern, aber noch deutlicher ist die Verwandtschaft zu den besseren Soul Titeln von Weller’s Style Council. Nicht euphorisch oder blind für die Realität, jedoch vielleicht gerade deshalb mit positiver, ja optimistischer Grundstimmung. Well done, Mates!


Das Schlagwort Soul ist gerade gefallen, dazu können auch die Nordlichter etwas beitragen. ROHEY legen mit Keyboard, Bass und Drums plus exzellenter Sängerin ein Neo-Soul/ - Funk Album vor, das Gilles Peterson in den 90ern nicht besser hätte ausfindig machen können. Statt Glitter und Goldkettchen lieber eine ordentliche Prise Rockjazz und für den spezifischen Sound das alte Rhodes E-Piano aus der Ecke geholt. Die Sängerin turnt an den Harmonien entlang, dass es eine Freude ist, die 3 Kollegen verschaffen den passenden Background mit lyrischer Begleitung, fetten Grooves und nicht zuletzt genügend Lücken und Pausen, damit aus dieser Mischung keine Überdosis wird.

Bei der Mutter ist es kein Wunder, dass CHINA MOSES schon zum 3. Album beim zeitgemässen Jazz angekommen ist. Ebenfalls von einem Männer Trio begleitet, gibt es auf „Nightintales“ kernige Grooves und funkige Riffs. Gelegentlich mit Bläser Unterstützung. Stimmlich zieht sie alle Register, auch dem Blues nicht abgeneigt, bewegt sich mit diesem Longplayer mindestens in der Liga von Gregory Porter. Soul Jazz mit dicker Betonung auf Jazz. Sogar ohne Mütze.

Immer noch: Specialists in all Styles

Im Zuge des Buena Vista S.C. Erfolges hat Nick Gold, Macher des World Circuit Labels vor etwa 15 Jahren das ORCHESTRA BAOBAB reaktiviert. Deren „Specialist in all Styles“ gehört nach wie vor zu meinen Afrika Favoriten. Auf ihrem neuen Werk widmen sie sich dem Schaffen von NDIOUGA DIENG (ist mir namentlich kein Begriff..). Dieses „Tribute to..“ ist natürlich gekennzeichnet durch die handwerkliche Finesse der Beteiligten, aber besonders durch die unglaublich melodiösen Harmonien des genannten Herren. Da die alten Herren ‚Specialist in all Styles‘ sind, nicht geschwindelt, haben sie hier 10 Perlen der Highlife / Rumba Musik auf Träger gebannt, auf dass das Schaffen von Herrn Dieng der Nachwelt auch in exzellentem Handwerk und perfekter Tonqualität erhalten bleibe.


DJ Kultur auf Klassik-Label

Zum Schluss eine aus der Abteilung Kunst am Bau. TALE OF US nennen sich die beiden italienischen Club DJs. Schlagen aber auf „Endless“ ein ganz anderes Buch auf. Eher ambiente Klänge, dunkle Tonfolgen, dann und wann umgarnt oder unterstützt von Streichern. Überwiegend sehr ruhig, meditativ, in der Spätfolge von Initiatoren wie Glass, Eno oder Olafur Arnalds. Nix Pop oder Dance, viel mehr ernsthaft und wohl komponierte ‚Klassik der Gegenwart‘ aus Elektronik und Orchesterklang. Musik für die, die sich Zeit zum Zuhören nehmen.


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