Von Günter, 24.05.2017

LES BRUNETTES/ SOPHIA KENNEDY/ COLIN STETSON/ DJ HELL/ DJ FORMAT & ABDOMINAL/ ALICE COLTRANE/ DULCE PONTES/ ULITA KNAUS

Pfiffige Idee, die 4 Frauen a cappella Combo LES BRUNETTES intonieren auf „The Beatles Close-up“ ihre Lieblingssongs der berühmtesten Boygroup aller Zeiten. Nicht lustig oder auf Schönklang dressiert, sondern deutlich aus Jazzland inspiriert. Zwischen die bekannten Titel der Fab Four mischen sie geschickt ein paar sehr gekonnte Eigengewächse. Für FreundInnen ausgefuchster Stimmen-Arrangements.

Ein bemerkenswertes Statement: ‚Einfach keine Angst haben, dass Pop daraus wird‘. Es stammt von SOPHIA KENNEDY, als Kommentar zu ihrem 1. Album. Die ausgesprochen vielseitige Sängerin erfindet entsprechend unterschiedliche Songs, die sie mit reduzierter, manchmal spärlicher und meist elektronischer Begleitung in eher unerwartete Klanglandschaften und Strukturen verwandelt. Raffiniert angewendete Tradition in unbedingt zeitgemässem Gewand.

Weitaus radikaler mit technischen Möglichkeiten operiert COLIN STETSON auf seinem 1. Solo Werk seit 2013. Seine sehr eigenständigen Kompositionen speisen sich aus Minimalismus und Experimentierfreude. „All this I do for Glory“ würde gut in den Katalog von Warp Records passen.

DJ HELL hat sein digitales Instrumentarium für seine „Zukunftsmusik“ um ein klassisches Orchester erweitert. Weg vom Ecstasy geschwängerten Tanzboden hin zu subtileren, stilleren Klängen. Wohlgesetzte Klangwelten, die ab und an mit dezenten Beats versehen werden, Spoken Word Momente und Tastensounds, die J.M. Jarre ins Gedächtnis rufen. Sehr anders, als von ihm gewohnt, aber sehr gekonnt.

Old School, modern.

Beide im Alleingang äusserst erfolgreich, gemeinsam rocken sie die Gemeinde. DJ FORMAT & ABDOMINAL legen ihre Skills zusammen und liefern mit „Still Hungry“ das vermutlich modernste Old School Hip Hop Album des Jahres. Uptempo, funky, hin und wieder ein krachendes Riff und der unbedingt groovige Flow der beiden, wäre schön, wenn dieses erstklassige Beispiel auch dem hoppenden Nachwuchs eine Lampe anknipst.


Nachlassverwaltung

Am Anfang 4 Damen, zum Schluss 3, allerdings einzeln. Die erste ist bereits vor 10 Jahren verstorben. ALICE COLTRANE hat die letzten 40 Jahre ihres Lebens eine sehr persönliche Variante spirituelle Musik vervollkommnet. Auf „World spiritual Classics 1: The ecstatic Musik of Alice Coltrane“ hat das Luaka Bop Label eine gute Stunde (auf Do.-LP 2 Tracks mehr) dieser Klänge zusammengestellt. Von Harfe im Alleingang und eigenem Gesang über Synthesizer untermalte fernöstliche Motive gemischt mit amerikanischer Gospel-Tradition zu Aufnahme mit grossem Chor. In der Zeit zwischen 1982 und 95 aufgenommen und bislang keiner grossen Öffentlichkeit zugänglich gemacht ist diese Stoffsammlung zusammen mit den ausführlichen Liner Notes ein profunder Einblick in das Leben einer durch und durch spirituellen Künstlerin.


Einen ähnlich guten Überblick über ihr Schaffen in den vergangenen 5 Jahren veröffentlicht DULCE PONTES auf der Do.-CD „Peregrinacao“. Von intimen Balladen in Kleinstbesetzung zu Live-Aufnahmen mit richtig grossem Besteck zeigt sie, dass sie sowohl die Fado Tradition bewahrt als auch musikalisch weit über den Tellerrand hinausblicken kann.

Highlight

Mein Ohrwurm der Woche ist das neue Album von ULITA KNAUS. „Love in this Time“ ist bereits ihr 7. Album. In perfekter Balance zwischen inspirierter Begleit(?)-Band und aussergewöhnlich eigenständigem Gesang. Verwandtschaft höre ich zu den späten Platten von Cassandra Wilson in der Art der Instrumentierung und zu Joni Mitchell in der Konstruktion der Songs. Absolut unaufgeregt umgesetzt, sowohl von den Musikern, als auch in ihrem Gesangsvortrag. Und das in dieser schnelllebigen Zeit!


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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