Von Günter, 23.08.2017

HEIKKI RUOKANGAS/ DR BEKKEN/ STEPHEN WADE/ JAIMI FAULKNER/ MIU/ FILTHY FRIENDS/ PORTICO QUARTET

Mit Band ist mir zwar eigentlich lieber, aber hier kommen ein paar ziemlich individuelle Solisten. HEIKKI RUOKANGAS spielt Gitarre; mit und ohne Strom. In 9 unterschiedlichen Variationen stellt er seine Vorstellung von Musik für dieses Jahrtausend vor. Akustisch mit sehr metallenem Saitenklang, elektrisch auch mal mit Verzerrer und brachial Sound. Nicht notwendigerweise melodisch, nicht unbedingt zum Geniessen, aber spannend in Tonfindung und Konstruktion. Ist „Monologues“ Jazz? Auf jeden Fall eher für Musiker.

Das genaue Gegenteil präsentiert DR BEKKEN. Auf seiner „Live at Bar Moskus“. Mit dem aufrechten Klavier unterhält er sein Publikum mit einer gelungenen Mischung aus Boogie Woogie, Blues, Ragtime und swingenden Balladen. Handwerklich absolut austrainiert liegt das Gewicht sowohl auf Rhythmus, als auch auf geschicktem Improvisieren über das gegebene Thema und singen tut er dazu nicht.

STEPHEN WADE singt zwischendurch auch mal auf „Across the Amerikee“, seiner Sammlung von 21 traditionellen Songs aus allen Ecken Nordamerikas. Er begleitet sich dabei wechselnd auf Gitarre und Banjo, konzentriert sich bei der Auswahl auf musikalisch untermalte Geschichten und wirklich alte Instrumentals. Mit fettem Booklet mit Infos zu allen Tracks, wie bei Smithsonian, den Trägern der Tradition, üblich.

Rockender Songwriter

JAIMI FAULKNER darf ich sicher als Ur-Enkel dieser Tradition bezeichnen, obwohl er aus Australien stammt und mittlerweile in Berlin lebt. Er schreibt griffige Songs, hat eine straighte Back-up Band und singt wirklich bemerkenswert. Gitarre oder Piano als tonangebendes Instrument, von der Combo treffend unterstützt und von Jaimi markant gesungen. „Back Road“ erinnert mich ein wenig an Bruce’s ‚River‘ Zeit.


Guter, richtiger Ansatz: Eine echte Band, Bläser wo’s geht und eigene Songs. Das 2. Album der Hamburgerin MIU ist für sie ein Quantensprung. Pop Musik ohne Autotune, alles echt und selbst ausgedacht und überzeugend gesungen. Der Vergleich passt nicht ganz, führt aber hoffentlich auf die richtige Spur: Wer Adele oder Amy liebt, sollte mal ein Ohr riskieren.

‚Alte Garde‘ des College Rock

Vor 20 Jahren All Stars, für die jetzt Generation eher Alt Stars. Corin Tucker, Peter Buck, Kurt Bloch, Scott McCaughey und Bill Rieflin, Freunden des College-/ Alternative Rocks der US of A sicher geläufige Namen, waren sie doch an Bands, wie z.B. Sleater-Kinney oder R.E.M. beteiligt. Im Zuge der Anti-Trump Kampagne zusammengefunden und jetzt ein ganzes Album als FILTHY FREINDS fertig. Die jeweiligen Qualitäten von früher über die Zeit gerettet und addiert, gibt es hier kantige Songs mit Harmonien nahe an ‚Out of Time‘ aber nicht so gefällig instrumentiert. Die Dame und die Herren mögen älter geworden sein, der Unmut über herrschende Zustände, zwischenmenschlich und politisch, hat sich nicht gelegt. „Invitation“ ist erstklassige Popmusik, nicht poliert und schon gar nicht angepasst.


Sphärisch mit Breakbeats

Endlich eine neue CD des PORTICO QUARTET. Fünf Jahre Platten-Pause, zwischendurch auf 3 geschrumpft, aber jetzt wieder vollständig. Und sie machen genau dort weiter, wo sie uns 2012 hin manövriert haben. Epische, fast Filmmusik artige Klanglandschaften mit mehr oder weniger kräftigem Rhythmus, komplexe Kompositionen, zielstrebig eingesetzte Electronics und der beinahe übernatürliche Sound des Hang. Das ist sowohl Jazz als auch Ambient, Elektronik oder Minimalismus. „Art in the Age of Automation“ zeigt, dass m/f auch mit eigentlich hinlänglich bekannten Zutaten jederzeit Neues schaffen kann. Wenn es der Kopf hergibt..


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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