Ohrenschmauch
Von Günter, 06.09.2017
STEVEN WILSON/ WAR ON DRUGS/ VINTAGE ITALIA/ CUBA CUBA/ SION HILL/ BLACK SEEDS/ TOBY KEITH/ SURFING MAGAZINES/ TENDER/ RAT & CO/ ANALOG STAMMTISCH
Den werde ich auf dieser Seite immer mal wieder los: Je besch..eidener die Zeiten, desto besser die Musik. Weder STEVEN WILSON noch WAR ON DRUGS enttäuschen mit den aktuellen Werken. Vielleicht sind sie dem bereits länger Fan etwas zu zurückhaltend vorsichtig, trotzdem jedoch als gut gelungen einzustufen. Selbst meine früheren Lieblinge von Putumayo trauen sich neue Zusammenstellungen mit Material, dass sie nicht schon vorher irgendwo veröffentlicht haben. Die schon im März erwähnte „VINTAGE ITALIA“ entwickelt sich bei mir zum Dauerläufer und die aktuelle „CUBA CUBA“ steht seit dem 2. Durchlauf als gesetzt für den Aufenthalt draussen fest.
Eine sehr gelungene Soul-Platte im alten Stil aber modernem Sound liefert SION HILL mit seinem „Elephant“. Jaja, white boys can’t jump, aber ein paar von ihnen können zumindest ganz schön singen. Mit Arrangements in der Breite von leicht rockend bis Bläser gestärkt, mal an die 80er angelehnt, mal deutlich an die 60er andockend, hält er das Album über 12 Stücke hinweg abwechslungsreich, interessant und spannend. Zum Finale 3 wundervolle Balladen und wird vom Radio sehr wahrscheinlich komplett ignoriert.
Die BLACK SEEDS haben sich für ihr neues Werk „Fabric“ lange Zeit gelassen. Getreu dem Motto: Lieber ab und zu ein Knaller, als jährlich eine neue Lusche. Ihr Mix aus Spielweise einer Rockband mit Sound und Groove einer Reggae Combo zündet auch in diesem Fall. In ihren aktuellen Stoff weben sie zusätzlich Elemente aus Soul und Funk der 70/80er Übergangszeit, verlieren dabei aber den karibischen Groove nie aus den Augen und setzen weiterhin auf dezente aber spürbare Dub Effekte. Vermutlich ohne Absicht eine exzellente Tanzplatte!
Zum Country Nachwuchs zählt TOBY KEITH sicher nicht mehr. Warum er sein aktuelles Album „The Bus Songs“ nennt, habe ich noch nicht entschlüsselt. Hat ein paar typische ‚Trucker‘ Nummern drauf, eher etwas ironische bis humorige Texte, neben den zu erwartenden Stereotypen jedoch etwa zur Hälfte Titel, die durch eine erstklassig aufspielende Band, die sich auch in traditionellen Stilen, wie Country/Hillbilly, Western Swing oder Texas Blues absolut sicher bewegt, deutlich auf die Seite des guten Geschmacks geschoben werden.
Und dann waren da noch die SURFING MAGAZINES, zusammengesetzt aus Mitgliedern der Wave Pictures und des Slow Club, die ihr namenloses Werk als Garage Rock titulieren. Für Garage ist der Sound zu gut, für Rock der Druck eher zu niedrig. Dafür gibt’s im Verlauf der Platte jedoch feine Surf-Instrumentals mit Twang und Saxofon. Über 11 Titel hinweg eine bunte Mischung aus Stilen und Sounds, die den beteiligten Musikern ganz sicher genau so viel Spass bereitet, wie sie mir beim Test die Ohren frei gepustet hat. Ganz sicher und schwungvoll aus der Zeit gefallen!
Das Londoner Duo TENDER klingt für mich, wie das düstere Gegenstück zu OMD (Orchestral M..). Eingängige, elektronisch erzeugte Sounds, alle eher in Moll, untermalen die gelegentlich herzzerreissende Stimme, statt flotter Beats unterlegt mit geschickt eingesetzten perkussiven Elementen. Und bei aller Düsternis schaffen die Harmonien und Sounds doch ein Gefühl von Optimismus. Traurig, aber schön.
Etwas experimenteller geht das australische Trio RAT & CO ans Werk. Konventionell mit Bass, Drums und Gitarre plus jeder der drei gibt noch Synthetisches dazu. So sprengen sie den zu erwartenden Band Sound durch Sample Einlagen, Geräusche und erschaffen ein sehr eigenes Klanguniversum, in dem sowohl der komponierte Song, als auch die maschinell-experimentelle Seite ihre Wirkung entfalten können. Der Track mit Gastsängerin Liahona entwickelt echte Ohrwurm Qualitäten, wird aber wohl nie im Radio auftauchen. Aber m/f kann ja streamen…
Der Sommer ist vorbei, der Ernst beginnt! Jetzt wird wieder drinnen gehört. Und wer interessiert ist, wie es am besten klingt, finde sich am Freitag, den 8. September ab etwa 19h in der Boheme Boulette am Hansaring ein um mit den Fachleuten vom ANALOG STAMMTISCH zu diskutieren. Natürlich mit Musik, sowohl von LP, als auch CD. Es gibt mehr im Leben, als 20.000 Hertz!